Glück durch Verzicht?

Dass Konsum nicht glücklich macht, ist eine Binsenweisheit – sonst dürfte kein Reicher unter Depressionen leiden. Aber macht das Gegenteil glücklich, nämlich der bewusste Verzicht, die Beschränkung auf das absolut Notwendige? Der Autor Niko Paech will es uns glauben machen:

“Könnte ein solches vom Überfluss befreites Dasein, bestehend aus einem monetär entlohnten 20-Stunden-Job, ergänzt um reichhaltige Subsistenzpraktiken, glücklich machen – sodass es sich lohnt, schon vorsorglich damit zu beginnen?” fragt er und nennt “etliche Gründe für die Bejahung der Frage”: weniger Zukunftsangst wegen geringen Besitzes, weniger Reizüberflutung, Erfolgserlebnisse durch Selbstwirksamkeit, intensiverer sozialer Zusammenhang mit dem Nachbarn, weniger soziale Ungleichheit.

Subsistenz umfasst bei ihm dabei nicht nur den Ackerbau, sondern auch zum Beispiel das Reparieren von Computern oder Flicken von Socken. Aber möchte ich deshalb auf das Reisen verzichten, so wie Paech es kategorisch fordert? 2,7 Tonnen CO2-Verbrauch pro Nase und Jahr sind umweltverträglich – 11 Tonnen haben wir in Deutschland stattdessen durchschnittlich. Wäre es nicht viel besser, er zeigte Möglichkeiten des umweltverträglichen Reisens auf – zu Fuß, mit Fahrrad usw., anstatt den moralinsauren Zeigefinger der Reisemuffels zu heben, bleibe zu Hause und nähre dich redlich?

Im Grunde gibt Paech nicht mehr Antworten als schon Theodor Fontane sie im 19. Jahrhundert gab, wie in seinem sehr evangelischen Gedicht “Das Glück – kein Reiter wird’s erjagen”:

Nicht Glückes bar sind deine Lenze,
Du forderst nur des Glücks zu viel;
Gib deinem Wunsche Maß und Grenze,
Und dir entgegen kommt das Ziel.

Wie dumpfes Unkraut lass vermodern,
Was in dir noch des Glaubens ist:
Du hättest doppelt einzufordern
Des Lebens Glück, weil du es bist.

Das Glück, kein Reiter wird’s erjagen,
Es ist nicht dort, es ist nicht hier;
Lern überwinden, lern entsagen,
Und ungeahnt erblüht es dir.

Oder auch in “Unterwegs und wieder daheim”:

Mit achtzehn Jahr und roten Wangen,
Da sei’s, da wandre nach Paris,
Wenn noch kein tieferes Verlangen
Sich dir ins Herze niederließ;

Wenn unser Bestes: Lieb und Treue
Du nicht begehrst und nichts vermisst
Und all das wechselvolle Neue
Noch deine höchste Gottheit ist.

Mir sind dahin die leichten Zeiten,
Es lässt mich nüchtern, lässt mich kalt,
Ich bin für diese Herrlichkeiten
Vielleicht zu deutsch, gewiss – zu alt.

Und daran mag es wohl liegen, dass ich zwar ebenfalls auf einen ökologischen Fußabdruck von einer Erde zusteuere, aber mit der Art, wie Paech und Fontane Verzicht predigen, nicht einverstanden bin: Ich bin zu barbarisch, mit 58 Jahren zu jung und ganz gewiss nicht puritanisch genug, um dieses Grau-in-grau wirklich goutieren zu können.

Nichts desto trotz: An einer Postwachstumsökonomie geht kein Weg vorbei – denn unsere Erde ist nun einmal endlich.

  • Niko Paech, Befreiung vom Überfluss, (c) 2012 oekom Verlag München
  • Kleine Bettlektüre für grosse Fontane-Freunde, ausgewählt und zusammengestellt von Petra Eisele, Scherz Verlag Bern München Wien

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