Heute Nacht hat es gewittert und geregnet, und der Vormittagshimmel zeigt rötliche Streifen, obwohl die Sonne schon weit oben steht.
Unsere Katze Kalas schläft wie üblich auf dem Balkon – und freut sich jeden Morgen, wenn wir die Tür öffnen. Sie ist etwa so alt wie unsere vierzehnjährige Tochter Lenja und kam 2009 zu uns: Eines schönen Morgens schlug ich der Familie vor, doch einen schwarzen Kater anzuschaffen, nach dem Motto „Es ist gut für Kinder, mit einem Haustier aufzuwachsen.“ Gesagt, getan. Die Stuttgarter Katzenhilfe vermittelte uns die Anschrift eines Tierarztes in Gerlingen, und wir fuhren hin. In einem kleinen Zimmer lungerten gewiss zwanzig herrenlose Tiere vor verschiedenen Fressnäpfen, darunter auch ein schwarzer Kater – aber der Tierarzt meinte zu Recht, wir sollten besser eine Weile in dem stinkenden Zimmer bleiben und uns in die Katzen einfühlen, nicht alle seien für Familien geeignet. Der Schwarze hatte sich uns bereits auserkoren, benahm sich aber sehr herrisch und aufbrausend gegenüber seinen Mitlebewesen. Und dann gab es eine Katze, die schnurrte laut vor sich hin. Überhaupt nicht mein Fall, eine 08.15-getigerte Europäisch Kurzhaar – aber sie ist es geworden. Der Schwarze war massiv beleidigt…
Mein Mann Klaus gab ihr den Namen Kalas, weil ihm die beiden Silben so gut gefielen. Kalas lebte ursprünglich auf einem Bauernhof, bis sie vom Traktor angefahren wurde. Die Kiefer-OP hätte den Bauern hundert Euro gekostet, und also wollte er sie einschläfern lassen – nun kam sie zu uns.
Sie ist die lauteste Schnurrerin, die ich je kennengelernt habe, sie schnurrt viel und lange und ist überhaupt mindestens genauso kommunikativ wie eine Siamkatze. Sie kratzt nicht, sie beißt nicht, und bei außergewöhnlich begabten Katzenkraulern sabbert sie sogar manchmal vor Glück.
Was sie aber besonders liebt, ist meine schamanisch-meditative Yoga-Tai-Chi-Morgengymnastik, vor allem den Teil, der auf dem Berberteppich stattfindet. Wenn ich meine Luchs-Übungen mache, kuschelt sie sich am liebsten ganz eng an mich, und rutscht möglichst noch zwischen meine Knie und die aufgestützte Hände, zumindest mit dem Schwanz. Durchaus beliebt ist es bei ihr auch, sich beim „Baum“ genau unter das Bein zu stellen, das gerade in der Luft ist und irgendwann gerne einmal wieder Kontakt mit der Erde haben würde. Morgengymnastik unter erschwerten Bedingungen also! Aber Kalas ist eben eine sehr gesellige Katze, und so stelle ich mir auch das Volk vor, nachdem wir sie benannt haben: die Kalas / Kalash im Hindukusch (Pakistan), Nachfahren von Alexander dem Großen, mit hellen Augen und einer sehr archaischen Religion. Irgendwann kauften wir für Lenja auch einmal eine handgenähte Kalasha-Puppe auf einem „Markt der Völker“, das ist also die Namensschwester unserer Katz‘.
Der Tag ging griechisch weiter: Für meine medizinische Fußpflege zeichnet Ioannis Ioannidis verantwortlich, ein netter junger Man mit dicken, geraden Haaren, schwarzer Hornbrille, äußerst maskuliner Behaarung und den Unterarmen eines Bauarbeiters. Zum Glück arbeiten Ioannidis‘ Geräte mit Wassernebel, sehr angenehm bei den derzeitigen Temperaturen. Seine Mutter ist klein und kugelrund und fröhlich und kümmert sich um die Terminplanung. Und ich habe wieder für die nächsten vier Wochen schöne Füße.
Zweimal hatte ich heute das Vergnügen, von der Kirchheimer Straße aus hinunter nach Hause zu laufen (unser Erdbeer-Bus fährt nur alle dreißig Minuten). Ein Vergnügen ist es wirklich, denn auf meiner Seite der Gartenzäune lugen Melissen- und Fenchelblätter hervor, die zwischen den Fingern gerollt und beschnuppert werden wollen, Brombeeren wachsen mir fast in den Mund, die ersten Äpfel wandeln sich zu Fallobst, auch die ersten Pflaumen sind reif, und sogar eine Holunderbeere und eine Kornelkirsche konnte ich naschen. Schlaraffenland!