Dieses Sachbuch des österreichischen Psychologen Paul Watzlawick bekam ich kurz nach seinem Erscheinen im Jahr 1983 von meiner WG-Mitbewohnerin Elke geschenkt – offenbar hatte ich gerade eine negative Phase.
Watzlawick lebte damals schon in den USA und beschäftigte sich mit Kommunikationstheorie, wobei er eine gegenwartsbezogene, konstruktivistische Sicht der Dinge vertrat. Mit seiner “Anleitung zum Unglücklichsein” entwirft er ein radikales Gegenstück zu der vor allem in Amerika weit verbreiteten, häufig banalen Ratgeberliteratur und zeigt uns auf, wie wir am besten und schnellsten unser Leben wahrhaft unerträglich gestalten können. Wie lasse ich am leichtesten Kommunikation misslingen? Und wie werde ich am schnellsten und edelsten komplett depressiv? Wie kann ich Trivialitäten so aufbauschen, dass eine Weltverschwörung gegen mich höchst wahrscheinlich ist?
Am bekanntesten ist sein Hammer-Beispiel: Ein Mann will ein Bild aufhängen. Er hat zwar einen Nagel, doch keinen Hammer. Deshalb beschließt er, zum Nachbarn zu gehen, um dort das Werkzeug auszuleihen. Doch da kommen ihm Zweifel: “Was, wenn der mir den Hammer nicht leihen will? Schon gestern grüßte er nur flüchtig. Vielleicht war seine angebliche Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Aber was? Ich habe ihm doch nichts getan, das bildet er sich nur ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte – ich würde es ihm sofort geben. Und warum der Nachbar nicht? Wie kann man so böse zu seinen Mitmenschen sein? Leute wie dieser Nachbar vergiften mir das Leben. Und dann bildet er sich auch noch ein, ich sei auf ihn angewiesen! Jetzt reicht es mir.” Und also stürme ich rüber, läute, und bevor der Nachbar noch “Guten Morgen” sagen kann, brülle ich ihn an: “Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!”
Die anderen Themen des Buches:
- Bleib dir selbst treu, auch wenn es dir schadet.
- Beschäftige dich lieber mit der Vergangenheit (“Früher war alles besser!”) als mit der Gegenwart
- Das schicksalhafte erste Glas Bier, das daran Schuld ist, dass ich heute Alkoholiker bin
- Wiederholen desselben Verhaltensmusters immer wieder, auch wenn es schon früher keinen Erfolg brachte (sich beispielsweise immer Männer als Partner auszusuchen, die einen betrügen oder schlagen)
- Selbsterfüllende Prophezeiungen (self-fullfilling prophecies)
- Die Vermischung von Sach- und Beziehungsebene (“Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du Knoblauch mögen”)
- Wer mich liebt, mit dem stimmt etwas nicht
usw. usf.
Watzlawicks Buch war zu meinen Studentinnenzeiten Kult. Allein in Deutschland wurden mehr als eine Million Exemplare verkauft.
Und der Clou an der Sache: Dieser Anti-Ratgeber kann sich auch als echter Ratgeber erweisen. Denn wenn wir uns bemühen, die im Buch beschriebenen Fehler zu vermeiden, kann es uns durchaus gelingen, ein glückliches Leben zu führen.
Und so schreibt der Autor denn auch im Epilog:
“Die grundlegende Regel, wonach das Spiel kein Spiel, sondern todernst ist, macht das Leben zu einem Spiel ohne Ende, das eben nur der Tod beendet. Und – als wäre das nicht schon paradox genug – hier liegt eine zweite Paradoxie: Die einzige Regel, die dieses todernste Spiel beenden könnte, ist nicht selbst eine seiner Regeln. Für sie gibt es verschiedene Namen, die an sich ein und dasselbe bedeuten: FAIRNESS, VERTRAUEN, TOLERANZ. Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Das hat man uns schon gesagt, als wir noch Kinder waren. Und in unserem Kopf wissen wir es auch; aber glauben tun es nur einige wenige GLÜCKLICHE. Glaubten wir es nämlich, dann wüssten wir, dass wir nicht nur die Schöpfer unseres eigenen Unglücklichseins sind, sondern genausogut unsere GLÜCKLICHKEIT SELBST SCHAFFEN könnten.
Mit Dostojewski begann diese Anleitung, mit ihm soll sie enden. In den Dämonen sagt eine der zwiespältigsten Persönlichkeiten, die Dostojewski je schuf: “Alles ist gut… Alles. Der Mensch ist unglücklich, weil er nicht weiß, dass er glücklich ist. Nur deshalb. Das ist alles, alles! Wer das erkennt, der wird gleich glücklich sein, sofort, im selben Augenblick…”
So hoffnungslos einfach ist die Lösung.”
(c) Piper Verlag 2005, EAN 978-3-492-24316-2, 144 Seiten, 10,00€