Der Mann, der das Glück bringt,…

…das könnte der Titel eines Rosamunde-Pilcher-Romanchens sein, ist es aber nicht. Der in Zürich lebende Rumäne Catalin Dorian Florescu beschreibt die Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand zweier bitterarmer Familien in zwei höchst unterschiedlichen Welten: Jeweils ein Kapitel spielt im rumänischen Donaudelta, das andere in New York.

Und es ist keine schöne Geschichte: Da wird ein Junge von seinem Vater angehalten, kranke Kinder mit dem Kissen zu ersticken, damit man Geld mit ihrer Beerdigung verdienen kann. Da erfrieren hungrige Zeitungsjungen wie Andersens Kleines Mädchen mit den Schwefelhölzern im Freien. Da springen eingesperrte New Yorker Fabrikarbeiterinnen mit lodernden Haaren paarweise aus dem Fenster, weil die Feuerwehrleitern nicht hoch genug reichen (Bangladesch 2013 lässt grüßen). Da werden leprakranke Menschen in Kolonien isoliert. Da passiert 9/11, und wieder springen Menschen. Der Fall dauert zehn Sekunden bis zum Aufprall.

Es sind zugleich Geschichten von Sehnsucht und Einsamkeit. Aber es sind auch Geschichten von der Schönheit des Gesangs. Von einem Gesang, der so wunderbar ist, dass die Frauen, die in billigen Absteigen ihre ungewollten Kinder zur Welt bringen, vor Glück anfangen zu weinen. “Großvater”, damals noch ein Jugendlicher, ist ein kleiner Caruso, der so etwas vermag. “Da ist er, der Mann, der das Glück bringt,” rufen die Frauen, und lassen ihn, nachdem man ihre Babys fort- (und heimlich um-)gebracht hat, an ihrer Brust trinken.

Sein Enkel Ray steigt in seine Fußstapfen, er wird Imitator und singender Kellner und stellt gar eine Show zusammen, die er “Die Predigten des Mannes, der das Glück bringt” nennt – eine Zusammenstellung der besten Predigten aus US-Filmen der 50er Jahre.

Doch dann wird alles anders: Er lernt die Rumänin Elena kennen, die die Asche ihrer verstorbenen, leprakranken Mutter von den Twin Towers aus über New York verstreuen will – just am 11. September 2001. Sie sieht die Menschen springen. Und sie flüchtet sich in Rays kleines Theater, bevor sie mit Mutters Asche zurück nach Rumänien fährt. Und Ray, mittelalt und einsam wie sie, folgt ihr, singt und tanzt sich durch Rumänien, bis er sie wiederfindet.

“Am Abend wurde in unserem lokalen Fernsehsender ein Bericht über ihn ausgestrahlt. Es geschieht nicht viel in unserer Stadt, man ist immer froh über etwas für die Rubrik “Besondere Ereignisse”, zwischen dem Donaupegel und den Autounfällen des Tages. “Ein Amerikaner in Tucea”, kündigte die Moderatorin den Bericht an, so, wie man früher die Ankunft des Zirkus bekannt gab.

“Er bringt den Geist Amerikas zu uns. Er nennt sich ‘Der Mann, der das Glück bringt’ und wird täglich bei schönem Wetter an der Promenade auftreten”, sagte sie. “Er ist der Imitator großer Stars und deshalb auch selbst ein Star, ein Sänger und Tänzer mit Stil. Eine Kostprobe davon hat er uns heute schon gegeben. Die Zuschauer waren begeistert. Er tanzt wie Fred Astaire, tritt auf wie James Cagney und singt wie Frank Sinatra.”

Und noch mehr Glück verbreitet er, als er mit Elena die Leprakolonie am Ende der rumänischen Welt besucht.

Aber wird er auch mit Elena eine Beziehung führen können – kann aus zwei Menschen, die ihr Leben lang einsam und allein waren, ein Paar werden?

(c) Catalin Dorian Florescu / Verlag C.H. Bek oHG, München 2016