Dienstag, 31.7.2018: Der Duft von Bienenwachs

 

Die erste Nacht wieder zu Hause in Stuttgart-Sillenbuch verlief seltsam: Immer, wenn ich aufwachte, glaubte ich zunächst, noch im Karl-Olga-Hospital zu sein – das offene Fenster links von mir, die Zimmertür verborgen hinter einem Vorsprung rechts von mir: an beiden Orten dieselbe Aufteilung.

Traum und Wirklichkeit vermischten sich – ich will heute über Bienenwachs schreiben, aber was hat das mit der Aboriginees-Gruppe Yothu Yindi zu tun, die in der Krankenhauslektüre auftauchte, und von der ich hier daheim eine CD habe? Sie hat keinen Musiktitel über Bienen oder Wachs geschrieben, wenn auch das Mundstück meines Eukalyptus-Didgeridoos aus Bienenwachs ist. Doch im Halbschlaf, da war die Verbindung eine ganz selbstverständliche.

Zunächst aber hieß es heute erst einmal, einen Teil meines Alltags zurück zu gewinnen, soweit das mit einer Hand, die trotz Opiaten erst zu 30% wieder funktioniert, eben möglich ist. Ich war im Krankenhaus, in der Ergotherapie, kurz in der Schule, bei der SparDa, bei Alnatura und beim niedergelassenen Chirurgen. Nun wieder daheim, am bisher heißesten Tag des Jahres, draußen bei meiner Tochter Lenja auf der Südseite des Hauses sind es mittlerweile über 42°C, hier drinnen knapp 27°.

Ich habe mir endlich wieder einen Epresso ganz nach meinem Geschmack gekocht, wenn es auch von der Kraft her fast nicht möglich war: Bio-Espressobohnen aus dem Kühlschrank geholt und in der Messingmaschine mit der Hand gemahlen. Auf den Boden des DeLonghi-Siebträgers kommen Cardamom-Samen aus vier bis fünf Hülsen, darüber das Pulver, nicht allzu fest gepresst. Hmmm!

Aber warum Bienenwachs? Gestern ziepte den Opiaten zum Trotz die OP-Narbe, und mir fiel nicht ein, wohin ich die Bepanthensalbe aufgeräumt hatte. Also versuchte ich es im Badezimmer mit „Bienen-Erich‘s Hautsalbe mit Propolis“ (Olivenöl, Bienenwachs, Avocadoöl, Propolis, Aloe Vera, Hamamelis), eigentlich mal für Klaus gekauft, aber er nutzt sie kaum. Sie roch wunderbar und half sofort.

Ich liebe Bienenwachs. Die Kerzen auf unserem alljährlichen Weihnachtsbaum (für mich alte Berlinerin am besten eine Kiefer) enthalten fast immer wenigstens zehn Prozent Bienenwachs, ich habe Bienenwachskerzen in große Ostseemuscheln hineingegossen, ich mache meine Salben und Cremes mit Bienenwachs. Ich besitze einen gewachsten Rock und eine gewachste Jacke. Es dient als Wärmepackung bei Husten und Erkältung sowie gegen Schmerzen der Muskeln und Gelenke. Ein anderes Wachs als das der Biene half mir bei den Olgaschwestern über die Nächte: Ohropax mit Paraffin. Ohne Duft, wie schade.

Ich liebe auch Tannenhonig, aber das Bienenwachs ist mir noch wichtiger. Was bedeutet mir sein Duft?

Das allerschönste, nicht vom Aussehen, sondern vom Duft her, ist das Wachszimmer von Wolfgang Laib im Untergeschoss des Stuttgarter Kunstmuseums am Schlossplatz (Wohin bist du gegangen – wohin gehst du?). Es ist eng im Wachsgang, die Besucher treten einzeln ein und sprechen sich miteinander ab. Früher einmal lag neben seinem begehbaren und beleuchteten Bienenwachszimmer ein riesiger Lavendelteppich, und die Kombination dieser beiden Elemente war schlicht betörend. Vielleicht hatte sich der Lavendel irgendwann ausgeduftet, jedenfalls existierte dann nur noch das Bienenwachs-Zimmer. Und wer weiß, vielleicht ist das Zimmer inzwischen auch auf Wanderschaft in einem anderen Museum und hier bei uns in Stuttgart durch ein neues Blütenstaub-Pollen-Wachs-Reis-Milch-Marmor-Kunstwerk Laibs ersetzt? Sogar die, die sich Experten nennen, schwärmen: Welt aus Wachs und Blütenstaub, die Schönheit des Blütenstaubs, die Kunst der Ruhe, das Licht der Bienen, die außerweltliche Ruhe. Das wundersame Werk des Wolfgang Laib.

Der wundersame Duft und die Schönheit des Bienenwachses. Für mich, für dich. Und zumindest, was ein anderes Produkt der Biene, eben den Honig, anbelangt, in gewisser Weise auch meine Berufung: Mein erstes schamanisches Krafttier, das selbstgefundene, ist der Eurasische Luchs. Er steht für mich, meine Persönlichkeit. Das zweite Krafttier wurde mir von einer weiteren Teilnehmerin eines Workshops vor vielen Jahren geschenkt: die Braunbärin. Sie brachte mir jedoch keine Kraft, Weitsicht oder ähnliches aus dem Wald mit, sondern ganz schnöde: Honig! Nahrungserwerb, Essen, die Süße des Lebens. Mein Leben, meine Berufung, mein Beruf, meine Aufgabe. Die Mutterbärin ernährt mich mit süßem Honig. Wie soll mein Leben da nicht spannend und wunderschön sein? Wunden heilen mit Manuka-Honig, Viren und Krebs besiegen mit Propolis, Schmerzen lindern mit Wachs – Geschichten also von Schönheit und duftendem Glück. Da strahle auch ich gern wie ein Honigkuchenpferd!