Ich stelle mir vor, ich lebe im frühen 9. Jahrhundert, vor der Christianisierung, in Haithabu. Meine Stadt gehört heute zum UNESCO-Welterbe, aber das weiß ich natürlich nicht. Sie ist ein wichtiger Handelsplatz, denn bis Haithabu fahren die Schiffer von der Ostsee. Hier laden sie ihre Waren auf Karren um und transportieren sie am Danewerk entlang bis zur Treene. Von dort aus gibt es dann wieder Schiffe bis zur Nordsee.
Ich bin früh aufgewacht, alle schlafen noch – auch mein Mann, der Schmied Bertram, benannt nach den beiden Raben Odins. Auf dem Steg genieße ich die Aussicht über die hier sehr breite Schlei, traumhaft schön! Aber es stinkt, denn wir werfen unsere Schlacht- und auch viele andere Abfälle hinein. Die Rauchschwalben fliegen tief, später wird es regnen.
Flussaufwärts sammle ich in einem Weidenkorb Mädesüß, Dost und Königskerze, denn ich bin die Heilerin der Stadt. Aus einer Quelle schöpfe ich Wasser in meinen Bottich.
Dann kehre ich zurück in unser dunkles, reetgedecktes Haus. Das einzige Licht fällt von oben herein, durch den Rauchabzug direkt über der Feuerstelle. Ich entfache das Feuer und hänge einen Eisentopf darüber (Bertram hat ihn geschmiedet!). Dann schütte ich das Quellwasser und Gerstengrütze hinein, dazu etwas kostbares Salz. Während die Grütze langsam gart, gehe ich wieder hinaus und hänge die Heilpflanzen an geflochtenen Bastfäden zum Trocknen unter das Dach.
Mein Mann, der nicht-wikinger
Ich liebe meinen Mann, denn er ist als Jüngling nie auf “Wiking”, also auf Raubzug, gefahren. Die anderen belächeln ihn zwar deshalb, aber als Schmied fürchten sie ihn auch, denn obwohl er nie Schwerter, sondern nur Beile, Messer und Speerspitzen zum Jagen fertigt, steht er doch mit dem Odin, dem Gott der Zauberer, im Bunde.
sommerfest in haithabu
Die Schwerter, die ein Händler gestern aus dem Rheinland weit im Süden mitgebracht hat, sind von ausgezeichneter Qualität und deshalb von den jungen Männern heiß begehrt. Zu Ehren des Händlers haben wir gestern ein großes Sommerfest gefeiert. Der Met floss in Strömen, ein Schaf wurde geschlachtet. Dort drüben ist seine Haut aufgespannt. Ich habe auf meiner Knochenflöte gespielt, wir haben gesungen und getanzt. Ein schönes Fest!
Jetzt schlafen noch viele ihren Rausch aus, aber am Nachmittag werden sie gewiss Schaukämpfe mit ihren neuen Schwertern veranstalten. Dann werde ich in den Wald gehen und Engelwurz suchen. Und mein Mann wird aus seiner Schmiede nicht hervorkommen, denn unser Nachbar braucht viele Nägel, um eine Truhe damit zu beschlagen.
und heute?
Auch heute gibt es noch viele Feste und Veranstaltungen in Haithabu – also nichts wie hin zu diesem Glücksort! Die nächsten sind:
- Sommermarkt in Haithabu, 14.-17.7.2022. Handel und Handwerk wie vor 1000 Jahren.
- Tuche für Pumphose und Tunika, 18.7.-11.8.2022. Die Tuchhändlerin zeigt ihr Sortiment.
- Der Taschenmacher ist in der Stadt, 18.-19.7.2022
- Vom Korn zum Brot, 18.7.2022. Mahlen, kneten, backen.
Anschrift:
Wikinger Museum Haithabu, Haddebyer Chaussee B76, 24866 Busdorf (bei Schleswig), https://haithabu.de/