Als wir auf dem Damm zur Insel Røm fahren, herrscht gerade Ebbe. 9,2 Kilometer lang rollen wir über das zweispurig asphaltierte Watt unserem Ziel entgegen. Es ist der bisher heißeste Tag des Jahres, mitten in den hiesigen Sommerferien. Aber hier, auf der südlichsten Nordseeinsel Dänemarks, werden lediglich angenehme 24 Grad im Schatten gemessen. Nur ein ganz zartes, kaum wahrnehmbares Lüftchen weht über das UNESCO-Welterbe Wattenmeer. Entsprechend groß ist der Andrang zum Hauptstrand, in der Verlängerung des Dammes, einfach immer geradeaus. Ein langer Stau zeichnet sich ab.
Der süden rømøs
Und so machen wir spontan kehrt und fahren gen Süden zum Sønderstrand. Wir vier Frauen haben uns beim Dänischlernen in Aabenraa kennengelernt. Ich war bisher erst einmal, vor zwei Jahren, auf Rømø. Aber meine Sprachschul-Kameradinnen kennen sich aus und erzählen, wie still und romantisch es hier vor zwanzig Jahren noch war, und welch schöne Ferien sie unter anderem mit ihren Pferden auf der Insel verbracht haben. Heute ist alles touristisch, und viele der Neubauten gehören leider zur hässlichen Sorte. Aber ich liebe die Heidelandschaft und die Kiefernwälder, die hier “Plantagen”, also angepflanzt sind: Kirkeby Plantage mit der sehenswerten, beschaulichen Inselkirche aus dem 13. Jahrhundert, und weiter im Süden die Vraaby Plantage.
Wie wir es uns erhofft hatten, ist der Sønderstrand weniger überlaufen. Auf Rømø fährt man mit dem Auto auf den Strand, denn er ist bis zu vier Kilometer breit. Für mich der breiteste, den ich je gesehen habe. Das birgt die Gefahr in sich, im Sand steckenzubleiben oder aber, wenn man sich bei Ebbe zu weit vorgewagt hat, von der Flut eingeschlossen zu werden. Jedoch haben wir Halbmond, somit Nipptide und parken im sicheren Abstand von der Wasserkante im Schatten eines Campingbusses.
Dann nehmen wir unsere Rucksäcke und Taschen und laufen die letzten tausend Meter über Sand, Sand und Sand hin zum Wasser. Während zwei von uns nur bis zu den Knien hinein wollen, gehen ich und die Fahrerin tiefer hinein. Für mich ist es das erste Mal Schwimmen in diesem Jahr. Und das Wasser so ruhig, dass ich mich sogar als Tote Frau auf den Rücken legen kann. Herrlich!
Anschließend waten wir am Meeressaum entlang. Drei Kilometer weiter südlich kann man die Nordspitze Sylts sehen, und die roten Fähren, die zwischen dort und Rømø verkehren. Wir entdecken tote blaue Nesselquallen und Strandkrabben-Gehäuse. Hier gibt es Herz-, Sandklaff-, Mies- und leider auch Amerikanische Schwertmuscheln zu Hauf, dazu viele Austern. Wir sind glücklich. Aber die Flut kommt schnell. Aus den Gängen der Wattwürmer gluckert die Luft nach oben. Überrascht stellen wir fest, wie spät es schon ist.
romantik pur: cafe hattesgaard
Auf dem Rückweg halten wir an einem baumumstandenen, nostalgischen Reetdach-Haus aus dem Jahre 1914. Hier gibt es ein großes Café, Antik und Trödel. Leider sind wir zu spät dran, und es wird gerade geschlossen. Doch auch von außen finden wir sie in diesem Moment mit aller Macht: die dänische Hygge.
Anschriften:
* Sct. Clemens Kirke, Havnebyvej 152, 6792 Rømø, https://www.sctclemensromo.dk/ (mit Konzerten und Führungen)
* Hattesgaard Rømø, Café – Antik & Genbrug, Hattesvej 17, 6792 Rømø, https://www.hattesgaard.dk/