Die ehemals graue Theodor-Storm-Stadt im Norden Deutschlands hat sich für uns Neudänen in eine bunte Stadt im Süden verwandelt. Auch jenseits der Pfade des Schimmelreiter-Autors lässt sich hier viel Magisches und Unkonventionelles entdecken, zumal an einem freundlichen Juli-Sonntag.
Kurz vor Mittag kommen wir mit dem 150er Bus vom Flensburger ZOB aus in Husum an und brauchen zunächst einmal eine Stärkung. Die finden wir im Künstlercafé, mit schönem Innenhof, freundlichem Personal, französischem Flair, viel veganem Essen und noch mehr Bio-Getränken. Kunst: Das ist hier nicht irgend ein Bild an der Wand – sondern die Backkunst einer Patisserie. Auch wenn wir uhrzeitbedingt keinen Kuchen probieren – er sieht verlockend aus und klingt auch so: Mango-Kokos-Tarte, Persische Datteltarte, Zar Nicolai, Partisanen Torte und viele andere verführen zum Schlemmen. Ich entscheide mich für den veganen “Flammkuchen Paris” plus französischen Rotwein. Und weiß schon jetzt: Wir kommen wieder!
Anschließend geht es in das Renaissance-Schloss “vor” (mittlerweile in) Husum, mit einer äußerst netten, sympathischen Empfangsdame ostdeutscher Provenienz, vor dem im Frühjahr Millionen magisch-violetter Krokusse blühen – bestimmt einen Ausflug wert (auch wenn eine meiner dänischen Freundinnen sich beschwert hat, der das viele Lila zu monochrom ist). Uns aber lockt die fantastische Welt des Pole Poppenspäler Museums im Schloss, zur Zeit (bis Januar 2023) mit der Ausstellung “Das Kaspertheater”.
Das Kaschperletheater gehört zum immateriellen Welterbe der UNESCO, und hier im Museum sind die Mitwirkenden versammelt, Kasper, Punch und Pulcinella, aber auch ihre Gegenspieler. Vielleicht ist es den beschränkten Räumlichkeiten geschuldet, dass man leider über den Hohensteiner Kasper im Nationalsozialismus nur wenig erfährt. Aber Kasper war – ähnlich wie Till Eulenspiegel – mit seinem derben Humor schon immer ein Überlebenskünstler, und so schlägt er auch heute noch, tritratralla, der Kasper, der ist wieder da, mit seiner Pritsche auf das Böse ein, Ende gut, alles gut. Wenn er nicht selbst gerade der Böse ist, siehe Nazizeit! Die Ausstellung gefällt uns sehr, zumal wir seit dem Wegzug aus Stuttgart mit seinem FITZ und Frau Brehmes Puppentheater Figuren-Entzugserscheinungen haben. Deshalb kaufen wir auch gleich noch ein Poster für’s Wohnzimmer und nehmen zwei alte Figurenspiel-Zeitschriften mit.
Im Herbst finden hier wieder (so Corona will vom 15.-25.9.2022) die Pole Poppenspäler Tage statt, und wer mehr über das Metier des Puppenspielers wissen möchte, dem sei Storms gleichnamige Novelle empfohlen (https://www.buch7.de/produkt/pole-poppenspaeler-theodor-storm/1039018062?ean=9783150140031) oder aber La double vie de Véronique (Die zwei Leben der Veronika, https://www.buch7.de/produkt/la-double-vie-de-veronique-krzysztofpreisner-o/1024789562?ean=5060421560403), ein wahrhaft magischer französisch-polnischer Film.
Es gäbe in Husum noch eine weitere spannende Lokalität zu besuchen, das Weihnachtshaus im gründerzeitlichen Ambiente, aber dazu langt unsere Zeit diesmal leider nicht – wir kommen wieder!
Anschriften:
* Künstlercafé, Neustadt 13, 25813 Husum, http://www.künstlercafehusum.de
* Pole Poppenspäler Museum im Schloss vor Husum, König-Friedrich V.-Allee, 25813 Husum, https://www.pole-poppenspaeler.de/
* Weihnachtshaus Ingwert Paulsen jr. e.K., Nordbahnhofstr. 2, 25813 Husum, https://das.weihnachtshaus.info/