Blick von der Markthalle aufs Alte Schloss, (c) Barbara Pfeifer 2019
Am Schlossplatz spuckt mich die U-Bahn aus. Quer über den Platz laufe ich durch den köstlichen Torbogen (er beherbergt den Eingang zum besten Schokoladengeschäft Stuttgarts!) auf den romantischen Schillerplatz.
Musikalische Mittagspause: Während im hochmalerischen spätgotischen Fruchtkasten 2 Frauen 9 Männer interpretieren, am Doppelflügel und mit Gesang, von Händel bis Cláudio Santoro, träumen die Instrumente in den oberen Etagen weiter. Diana Ochoa de Spínola und Sabine Layer hatten vergessen, dass heute Frautentag ist, sonst hätte sich vielleicht eine Clara Schumann zwischen die Herren geschmuggelt, wer weiß? Aber auch so ist die halbstündige, allfreitägliche “Musikpause” im Stuttgarter Musikinstrumentenmuseum (Start jeweils um 12.30 Uhr) schön und ungewöhnlich. Im Anschluss schlendere ich durch die Sammlung, spiele alles, was ich benutzen darf und bewundere den Rest, Summtopf, Kuhglockenklavier und solch unerhörte Dinge wie Flaschophon und Regenbogen-Regenschirm-Geige. Ja, und dann höre ich noch David Bowie’s “Space Oddity”, bei der er ein Stylophone benutzt. Bisher wusste ich noch nicht einmal, dass es so etwas gibt.
Ich flaniere weiter. Ein schmales Gässle zwischen Fruchtkasten und Stiftskirche. Rechts ein brutaler Neubau, aber verglast, und die Kirche spiegelt sich darin. Eines der ersten Dinge, die mir 1997 meine Vorgängerin im Verlag zeigte, um mich zum Bleiben in Stuttgart zu bewegen…
Blick von der Markthalle auf die Stiftskirche, (c) Barbara Pfeifer 2019
Ein Seitengässchen mit japanischen Comics an den Wänden. Daneben ein Juwelier mit ungewöhnlichen Kaminuhren im Schaufenster. Bei einer rollt eine kleine Metallkugel auf einer Platte im Zickzack von links nach rechts. Als sie außen angekommen ist, kippt die Platte, und die Kugel bewegt sich im nämlichen Zickzack zurück. So etwas kostet mehr als zehntausend Euro.
Nach einer Stippvisite in der Kirche schlendere ich zur Markthalle, Jugendstil, und gewiss eine der schönsten Markthallen Deutschlands (laut der Zeitschrift stern sogar die allerschönste). Alles was es hier gibt, befindet sich im eher gehobenen Preissegment, gefüllte Datteln in einem Dutzend Variationen, Jackfrucht, Pralinen, Blumen, Restaurants, und im Ober- und Untergeschoss Kleinmöbel, Seifen, Schmuck, Bücher. 1001 Nacht auf schwäbisch. Bio bei alledem leider nur in homöopathischen Spuren, und so schwelge ich in Träumen, Paradiesesbildern und Düften und kaufe – nichts. Aber ein Buch fällt mir ins Auge: Lauren Elkins “Flaneuse”. Frauen erobern sich flanierend die Städte. George Sand trug dazu im Paris des 19. Jahrhunderts Männerkleidung und einen Männernamen. Wie passend zu meinem heutigen Tag.
Doch jetzt mäandere ich nicht weiter, denn ich entdecke, dass es schon deutlich später ist als verabredet. Also geht es schnurstracks durch Dorotheenviertel und den Appendix der Bohnenvierteler Rosenstraße zum tristen Charlottenplatz, wo mich die U-Bahn wieder in ihre Arme schließt.