Meine Tochter Lenja und ich besuchen meine Freundin und ihre Familie in Bonn. Ich bewohne das oberste Stockwerk ganz für mich allein und werde schon frühmorgens von einem Heißluftballon begrüßt, der ganz in der Nähe über den Himmel schwebt (einmal stundenlang mit solch einem Ballon fliegen!). Nach einem ausführlichen Frühstück machen wir uns auf Richtung Köln, nach Brühl. Zunächst aber legen wir wegen einer Zugverspätung (Menschen auf den Gleisen) einen kurzen Zwischenstopp an der Bonner Museumsmeile ein, eine Kapelle spielt und die Kinder vergessen ihr gesetztes Alter von elf und vierzehn Jahren und rennen durch die Wasserspiele, bis sie pitschnass sind. Das soll das großartigste Erlebnis des Tages für sie werden!
Schloss Augustusburg und Schlossgarten in Brühl sind dermaßen schön, dass sie zusammen mit nur 844 weiteren Bauwerken auf der ganzen Erde zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören – eines der bedeutendsten Bauwerke von sowohl Barock als auch Rokoko in ganz Deutschland. Heute wollen wir nur die Außenanlagen bewundern, teils strenger Barock, teils englische Landschaft, Gartenkunst vom Feinsten jedenfalls. Wir entdecken einen Jardin Secret, einen geheimen Garten, und genießen dort Espresso und Kuchen im Café mobil.
Im nahe gelegenen Max-Ernst-Museum können wir die Werke des Dada- und Surrealisten bestaunen sowie eine Sonderausstellung über Robert Wilson, „The Hat Makes the Man“. Besonders gefällt mir eine Kachina-Mickey-Mouse und eine Installation aus einem Video mit Schneeeule vor gepunkteter Tapete, umrahmt von einer schwarz-weiß-Tapete aus hunderten von identischen Fotografien des Künstlers und Federumhängen aus der Südsee. Und, ach ja, blaue Vögel, die in der Luft schweben. An den Werken Max Ernsts wiederum gefällt mir der Unernst, der Humor, das Spielerische. Ich habe Surrealisten bisher eher als düster und beängstigend empfunden, nun lerne ich eine Facette kennen, vielleicht den Dada-Anteil Ernsts.
Max Ernst, Capricorn, 1948
Gefragt nach der Interpretation seines berühmtesten bildhauerischen Werks, Capricorn = Steinbock, soll er scherzhaft gesagt haben, es sei ein Portrait seiner Familie. Ach ja, und hier gibt es auch eine Verbindung zu Robert Wilson, denn mit den Kachina-Elementen der Hopi-Indianer ist dieses ebenfalls versehen.
Auch auf der Rückfahrt hat der Zug Verspätung, und so zitiert meine Freundin eine Lebenshaltung, die sie während in London kennengelernt hat: „Wir praktizieren jetzt die englische Variante und scheren uns nicht daran, was der Fahrplan sagt: Wir gehen einfach zur Haltestelle und freuen uns, wenn irgendwann ein Zug kommt.“ Allein an diesem Ausspruch zeigen sich schon die 50% Chromosome, die sie von ihrem Vater geerbt hat: Der ist ein hoffnungsloser Optimist und damit inzwischen schon neunzig Jahre alt geworden – bei immer noch recht guter Gesundheit: Denn Optimisten leben länger!
Zu Hause kochen wir ein veganes Risotto mit Weißwein, Artischocken, Stangensellerie, Zitronenschale und frischer Minze, als Vorspeise gibt es Gazpacho vom Vortag und später am Abend Pfirsiche und Weintrauben – köstlich!
Anschließend spielen wir – für mich zum ersten Mal im Leben – das Brettspiel Scotland Yard – ich habe Glück und gewinne zusammen mit den Kindern gegen meine Freundin. Macht spielen glücklich? Mich schon!
Vor dem Schlafengehen schauen wir noch in den Nachthimmel, denn heute soll der Sternschnuppenregen der Perseiden am besten zu sehen sein. Ich bin am ausdauerndsten und werde mit zwei kleinen Schnuppen und fünf ausgewachsenen Kometlein beschenkt. Sieben Wünsche wünsche ich. Große Wünsche.