Breite Straße zur Kirschblütenzeit (Bonn, D)

 Ostersamstag 2022: Meine Freundin hat heute einen wichtigen Familientermin – aber sie hat auch einen Tipp für uns – die Kirschblüte in der Bonner Altstadt soll sehenswert sein.

Und da das Wetter schön ist, suchen meine Tochter und ich nach dem notwendigen Einkaufen und dem Imbissen im Biomarkt Denn’s besagte “Altstadt” – nicht identisch mit der Fußgängerzone – und finden sie schließlich. Sie ist…. ein Traum!

Die rund 450 Meter lange Breite Straße ist an diesem Samstag getaucht in ein Meer rosafarbener japanischer Zierkirschblüten. Gesperrt für Autos, flanieren hier hunderte Menschen und wollen und können aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen. Die Ende der 1980er Jahre gepflanzten Bäume sind bereits so hoch gewachsen, dass sie einen Baldachin über der Straße bilden und frau wie durch einen rosa Blütentunnel läuft. Eigentlich sollte jederzeit eine Elfe irgendwo hervorlugen.

Gesäumt ist die Straße von vielen klassizistischen, schön renovierten Wohnäusern und jeder Menge kleiner, großenteils interessant-alternativer Geschäfte, Cafés und Kneipen, z.B. dem linken Buchladenkollektiv “Le Sabot”, dem “Jaz Boutique*Café*Art”, der “DLS Vollkorn-Mühlenbäckerei” oder dem Second-Hand-Shop “Kunterbunt”, um nur einige wenige zu nennen.

Es gibt noch andere Bonner Altstadtstraßen, in denen die Kirschblüte bewundert werden kann, aber mein Kind war müde, und so haben wir nicht weitergesucht.

Mein Urteil: Macht mehr als glücklich und ist unbedingt empfehlenswert!

Es gibt sogar eine Webseite zum Thema, die in jedem Jahr Preise für das beste Kirschblütenfoto auslobt: http://www.kirschbluete-bonn.de/.
Und hier noch die Webseite der Stadt Bonn mit allen Details: https://www.bonn.de/bonn-erleben/besichtigen-entdecken/kirschbluete.php

Montag, 13.8.2018: Reisenotizen zwischen Bonn und Stuttgart

Blick von Bonn über den Rhein aufs Siebengebirge

Im orange-rosa Morgengrauen, kurz vor halb sechs, wache ich Gästezimmer meiner Bonner Freundin auf. Eine meiner sieben Perseiden-Sternschnuppen, die „Gesundheit“, scheint schon gewirkt zu haben: Ich brauchte für die Nacht kein Opiat und bin damit auf dem Weg des Ausschleichens der Schmerzstiller ein gutes Stück weitergekommen!

Draußen beginnt es zu regnen, eine Wohltat für die Natur. So mache ich einen Teil meiner Morgengymnastik im Zimmer und lasse mich nur für das letzte Viertel vom Himmel berieseln, bevor ich mich unter die Dusche stelle, anziehe und anschließend mit Qi-Gong-Kugeln (chinesisch, Metall mit Glocken darin) meine rechte Hand trainiere. Im Haus ist noch alles still, und ich versuche, eine Gemeinnützigkeitssatzung für unser Ökoglückshaus im thüringischen Greiz zu entwerfen.

Später, nach dem Frühstück mit exotisch verpacktem Bio-Schwarztee aus Georgien, machen wir noch einen Spaziergang ans Bonn-Plittersdorfer Rheinufer, denn wie sagt meine Freundin so richtig: „Man kann nicht Bonn besuchen, ohne am Rhein gewesen zu sein.“

Nach einem kleinen Mittagessen und selbst gesammelten und -gekochten Zinnkrauttee brechen wir zum Bonner Hauptbahnhof auf. Hier heißt es Abschied nehmen, auch von meiner Tochter Lenja, die noch bis Samstag in Bonn bleiben wird.

Mein Zug hat verzeihliche zweiundzwanzig Minuten Verspätung (Notarzt-Einsatz). Zum Ausgleich gönne ich mir einen doppelten Espresso und ein Laugengebäck mit Vitamin-E-reichen Sonnenblumenkernen, die zudem mehr Eiweiß enthalten als ein Steak. Im Intercity werde ich mit der saubersten IC-Toilette aller Zeiten belohnt, sie blitzt richtig. Und mit einem freundlichen Schaffner, der anstandslos akzeptiert, dass ich statt meiner Bahncard 25 nur eine Fotokopie vorweisen kann (ich erinnere mich genau, wo zu Hause ich das Original liegt). Und mit einer Rückfahrt wieder auf einer der neun schönsten Bahnstrecken Deutschlands, durch das Mittelrheintal – diesmal sogar mit einem Fensterplatz in Fahrtrichtung auf der flusszugewandten Seite. An Orten vorbei, die so verwunschen heißen wie Namedy, Urmitz, Spay, und natürlich Loreley-Felsen und Bacharach, das mich immer an Heinrich Heines Rabbi erinnert. Heute ist definitiv ein Glückstag, womit schon eine weitere wunderschöne Sternschnuppe mir einen Wunsch erfüllt hat!

Nach Bingen fange ich an zu lesen. Meine Freundin hat mir zum Geburtstag eine Ausgabe der französischsprachigen Zeitschrift „écoute“ geschenkt. Darin gibt es eine nette kleine Fortsetzungsgeschichte von Élisabeth Fétizon, „Das Rätsel von Saint-Trémeur“, aus der ich einen kleinen Ausschnitt hier übersetze, weil er so gut zum Thema dieses Blogs passt:

Mme Dreau kam vor dieser Kapelle aus dem 15. Jahrhundert an und war wie jedes Mal bewegt von ihrer Schönheit. Die Einfachheit der Kapelle mit ihrem langen, niedrigen Kirchenschiff und ihrem zerbrechlichen Kirchenturm, der sich gegen den Himmel erhob, war von einer seltenen Eleganz. Die alte Dame näherte sich einer Tür aus rotem Holz, die schön mit dem weißen Turm des Gebäudes kontrastierte.“

So geht Schönheit also auch!

Sonntag, 12.8.2018: Bonn und Brühl – Wasserspiele, Weltkultur und die Perseiden

Meine Tochter Lenja und ich besuchen meine Freundin und ihre Familie in Bonn. Ich bewohne das oberste Stockwerk ganz für mich allein und werde schon frühmorgens von einem Heißluftballon begrüßt, der ganz in der Nähe über den Himmel schwebt (einmal stundenlang mit solch einem Ballon fliegen!). Nach einem ausführlichen Frühstück machen wir uns auf Richtung Köln, nach Brühl. Zunächst aber legen wir wegen einer Zugverspätung (Menschen auf den Gleisen) einen kurzen Zwischenstopp an der Bonner Museumsmeile ein, eine Kapelle spielt und die Kinder vergessen ihr gesetztes Alter von elf und vierzehn Jahren und rennen durch die Wasserspiele, bis sie pitschnass sind. Das soll das großartigste Erlebnis des Tages für sie werden!

Schloss Augustusburg und Schlossgarten in Brühl sind dermaßen schön, dass sie zusammen mit nur 844 weiteren Bauwerken auf der ganzen Erde zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören – eines der bedeutendsten Bauwerke von sowohl Barock als auch Rokoko in ganz Deutschland. Heute wollen wir nur die Außenanlagen bewundern, teils strenger Barock, teils englische Landschaft, Gartenkunst vom Feinsten jedenfalls. Wir entdecken einen Jardin Secret, einen geheimen Garten, und genießen dort Espresso und Kuchen im Café mobil.

Im nahe gelegenen Max-Ernst-Museum können wir die Werke des Dada- und Surrealisten bestaunen sowie eine Sonderausstellung über Robert Wilson, „The Hat Makes the Man“. Besonders gefällt mir eine Kachina-Mickey-Mouse und eine Installation aus einem Video mit Schneeeule vor gepunkteter Tapete, umrahmt von einer schwarz-weiß-Tapete aus hunderten von identischen Fotografien des Künstlers und Federumhängen aus der Südsee. Und, ach ja, blaue Vögel, die in der Luft schweben. An den Werken Max Ernsts wiederum gefällt mir der Unernst, der Humor, das Spielerische. Ich habe Surrealisten bisher eher als düster und beängstigend empfunden, nun lerne ich eine Facette kennen, vielleicht den Dada-Anteil Ernsts.

Max Ernst, Capricorn, 1948

Gefragt nach der Interpretation seines berühmtesten bildhauerischen Werks, Capricorn = Steinbock, soll er scherzhaft gesagt haben, es sei ein Portrait seiner Familie. Ach ja, und hier gibt es auch eine Verbindung zu Robert Wilson, denn mit den Kachina-Elementen der Hopi-Indianer ist dieses ebenfalls versehen.

Auch auf der Rückfahrt hat der Zug Verspätung, und so zitiert meine Freundin eine Lebenshaltung, die sie während in London kennengelernt hat: „Wir praktizieren jetzt die englische Variante und scheren uns nicht daran, was der Fahrplan sagt: Wir gehen einfach zur Haltestelle und freuen uns, wenn irgendwann ein Zug kommt.“ Allein an diesem Ausspruch zeigen sich schon die 50% Chromosome, die sie von ihrem Vater geerbt hat: Der ist ein hoffnungsloser Optimist und damit inzwischen schon neunzig Jahre alt geworden – bei immer noch recht guter Gesundheit: Denn Optimisten leben länger!

Zu Hause kochen wir ein veganes Risotto mit Weißwein, Artischocken, Stangensellerie, Zitronenschale und frischer Minze, als Vorspeise gibt es Gazpacho vom Vortag und später am Abend Pfirsiche und Weintrauben – köstlich!

Anschließend spielen wir – für mich zum ersten Mal im Leben – das Brettspiel Scotland Yard – ich habe Glück und gewinne zusammen mit den Kindern gegen meine Freundin. Macht spielen glücklich? Mich schon!

Vor dem Schlafengehen schauen wir noch in den Nachthimmel, denn heute soll der Sternschnuppenregen der Perseiden am besten zu sehen sein. Ich bin am ausdauerndsten und werde mit zwei kleinen Schnuppen und fünf ausgewachsenen Kometlein beschenkt. Sieben Wünsche wünsche ich. Große Wünsche.

Samstag, 11.8.2018: Auf nach Bonn!

Heute sind meine Tochter Lenja und ich unterwegs auf einer der neun schönsten Bahnstrecken Deutschlands: dem Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz – romantisch und sagenumwoben. Hier einmal ein Radtour machen, richtig viel Zeit haben, und nicht nur mit dem Intercity durchsausen und durch das Fenster fotografieren!

Koblenz

Wir wollen jedoch heute – bei immer noch angenehmen Außentemperaturen! – meine langjährige Freundin und ihre Familie in Bonn besuchen. Ich kann nur für zwei Nächte bleiben, aber Lenja wird eine komplette Woche mit ihrer jüngeren Nennschwester verbringen.

Nachdem einer Stunde Mittagsschlaf im Gästezimmer (die Nacht zuvor habe ich komplett durchwacht) treffe ich mich mit meiner Freundin in Bad Godesberg. Wir setzen uns kurz in das „petit bistro & pain francais épi“, das manchmal-nur-heute-nicht auch vegane Küchlein anbietet, ich trinke Bio-Espresso, und dann schlendern wir zur Godesberger Parkbuchhandlung, wo heute eine Lesung mit Barjazz-Begleitung auf dem Flügel stattfindet: „Die Sünden der Frau“, nach dem gleichnamigen Essayband von Connie Palmen, mit Texten von Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith sowie Katherina Waldau als Sprecherin und Andreas Orvath am Flügel. Es ist voll, und es macht Spaß, mal wieder bei einer Lesung in einer schönen Buchhandlung zu sitzen, nach den Büchern im Regal zu greifen, Klappentexte zu lesen und vielleicht etwas Neues, Spannendes zu entdecken. Monroe und die Schriftstellerinnen selbst waren nicht glücklich, mit nicht vorhandenem Vater, schlechtem Verhältnis zur Mutter und Alkoholproblemen, oder, wie John Milton im 17. Jahrhundert behauptete: „Die Glücklichen wurden nie geboren“ – auf diese Frauen traf es zu. Marilyn Monroe meinte zu allem Überfluss, dass Männer nur glückliche Frauen wollen und: „Ich weiß, dass ich nie glücklich sein kann, aber fröhlich kann ich sein.“ Und Arthur Miller sagte ihr: „Du bist das traurigste Mädchen, das ich kenne.“ Marilyn erschrak. Und nahm sich später das Leben (so sie nicht doch ermordet wurde). Aber schön war sie, wunderschön.

Nur einer Frau in den vorgetragenen Texten gelingt es, am Ende so etwas wie Glück zu empfinden: Der Protagonistin in Jane Bowles „Einfache Freuden“, die gerne Kartoffeln im Feuer röstet und schließlich in einem wildfremden Bett aufwacht und vielleicht in ihren schüchternen Nachbarn verliebt ist. Jedenfalls ein neues, reines Gefühl, das sich ihr auftut.

Zurück bei meiner Freundin wird gekocht, sie macht sich viel und erfolgreiche Mühe, für mich etwas Veganes zu zaubern, auch wenn ihr Mann dafür leiden muss: Es gibt köstlichen Gazpacho und einen hinreißenden Linsensalat.