Karlsruhe: Blick von der Bahnhofstraße in den Japanischen Garten
Den Karlsruhe Schlosslichtspielen ist es zu verdanken, dass meine Familie und ich zum ersten Mal seit langem wieder gemeinsam ins Badische fahren, mit dem Intercity diesmal. Sobald wir den Bahnhofsvorplatz überquert haben, um zur Jugendherberge zu laufen, wird alles anders, als wir es von einer Stadt mit gut 300.000 Einwohnern erwarten: Während die Stuttgarter Königstraße zum Beispiel eine belebte, gesichtslose Fußgängerzone mit Neubauten und einem Filialisten neben dem anderen ist, schmiegt sich die Karlsruhe Bahnhofstraße baumbeschattet an den Zoologischen Stadtgarten: Da gibt es zunächst einmal den Schwanensee, auf dem Boote entlangziehen, dann den Heckengarten und schließlich den Japangarten, während linkerhand ein Buddhismus-Zentrum und ruhige Wohnhäuser locken. Autos gibt es kaum, dafür jede Menge Fahrräder – Karlsruhe ist eine junge Stadt, nicht nur geschichtlich, sondern auch dank der heute hier Lebenden, eine Stadt der Studenten und der Kreativen. Das merken wir auch an den Geschäften und Cafés. Und: Es gibt noch weit mehr alte Häuser als in Stuttgart, wo man nach dem Krieg alles im Stil der 50er Jahre neubaute und vor allem: autogerecht wieder aufbaute, während die Karlsruher ihre Straßen fahrradgerecht gestaltet haben. Und tramgerecht, was gegenüber unserer Stuttgarter U-Bahn sehr nostalgisch wirkt.
Karlsruhe Nymphengarten
Nachdem wir uns in einem Familienzimmer der Jugendherberge im Norden der Innenstadt wohnlich eingerichtet haben, gehen wir zurück gen Süden zur Kriegsstraße, durch den Nymphenpark hindurch, denn hier soll es ein gutes Restaurant geben: „My Heart Beats Vegan“. Das tut es auch, nur hätten wir an einem Freitag um 18.30 Uhr besser reservieren sollen – das wirklich große Lokal ist komplett ausgebucht! Wir sind sehr enttäuscht, zumal das Essen auf den Tellern wirklich lecker aussieht.
Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als über die Kreuzstraße gen Schloss zu laufen und zu gucken, was sich links und rechts so bietet. Am Marktplatz entdecken wir eine Filiale der Edelburger-Kette „Hans im Glück“ und kehren ein. Auch dieses Lokal ist sehr groß (gehen die Badener lieber aus als die Schwaben?), und wie üblich ist die Partymusik zu laut, aber es gibt Platz für uns, und so esse ich einen veganen Burger (nicht den, den ich bestellt habe, aber immerhin) mit Salat und trinke einen leckeren Durstlöscher Erdbeer-Basilikum. Das Lokal schaut exakt so aus wie seine Zwillingsbrüder in Wuppertal und Stuttgart und versetzt einen nicht nur in die Atmosphäre des Märchens, sondern auch in die eines Birkenwaldes. Natürlich haben wir uns von Karlsruhe etwas Abenteuerlicheres erwartet, aber wir wollen den Beginn der vierten Schlosslichtspiele nicht durch noch längere Restaurantsuche verpassen.
Vom Marktplatz aus können wir schon das Schloss sehen, und trotz des Nieselregens sind bereits viele Leute dort. Wir schaffen es jedoch, Holzklappstühle in der ersten Reihe zu ergattern. Der Eintritt ist frei, aber um Spenden wird gebeten, und so kaufen wir für Tochter Lenja ein orangenes 5€-Armband in Signalfarbe.
Schlosslichtspiele: Jesper Wachtmeisters „Reflections“
Was uns dann ab 20.30 Uhr erwartet, ist wahrhaft magisch. Auf die Fassade des Schlosses werden 3D-Lasershows projiziert, die zuweilen große Kunst sind und mir immer wieder Lachen und erstaunte Ausrufe entlocken. Da schwimmen Papierfische durch das Meer, Riesen laufen herum, die Fassade wird so lange gewaschen und überschwemmt, bis das Gebäude in sich zusammenbricht, und wir tauchen ein in neue, ganz fremde, wunderbare Welten. Am besten gefallen mir die
- „Reflections“ von Jesper Wachtmeister und der Solaris Filmproduktion aus Schweden (https://vimeo.com/136217210): Ein neuer Tag beginnt im Karlsruher Schlosspark, der Markgraf fährt in einer Kutsche vor, doch wie in einem Karussell beschleunigt sich seine Fahrt und entfesselt eine wahrhaft berauschende Bilderflut –
- sowie „Cleansing“ von Eyal Gever aus Israel (http://www.eyalgever.com/cleansing/), dessen „#Laugh“ sogar dank der NASA im Weltraum produziert wird, mithilfe eines 3D-Druckers, der auch in der Schwerelosigkeit funktioniert.
Die Lichtspiele laufen in diesem Jahr noch bis zum 9. September. Leider schwächeln Mann und Tochter, und so machen wir uns schon kurz nach 22 Uhr auf den Heimweg, während die Show noch anderthalb Stunden weitergeht. Ja, wegen der Zugfahrt und der Übernachtung war es ein teures Vergnügen, aber trotzdem jeden Euro wert!
Die Straßen zurück zur Jugendherberge haben ebenfalls etwas Magisches, so wie ich es manchmal in Turin oder Barcelona erlebt habe. Fast keine Autos sind unterwegs, und ich habe das Gefühl, sie gehörten auch gar nicht hierher in diese Wundernachtstadt.