Stuttgart: Buschwerk im Wortkino

Buschwerk gleich “dichtes Gebüsch von größerer Ausdehnung”, wie der Duden schreibt? Oder eben der satirische Zeichner und Poet Wilhelm Busch aus dem 19. Jahrhundert. Um letzteren geht es im kleinen, feinen Wortkino, das gerade einmal 43 Zuschauern Platz bietet.

Zu jeder Eintrittskarte gibt es ein Getränk gratis, und im Foyer reihen sich die Bücher zum Schmökern: Die über die jeweilige Vorstellung des Abends und die zu den Schwerpunkten des Theaters – jüdische Kultur und Frauenliteratur.

An diesem Samstag ist also der Niedersachse Wilhelm Busch dran, das Multitalent (wer kann schon gleichzeitig zeichnen und reimen?), der Dorfmensch, der ewige Junggeselle,  der Liebhaber von Zigaretten (40-50 pro Tag) und Alkohol. Denn wie sagte er so schön:

Oh Menschenkind, bedenke wohl:
Dein größter Feind heißt Alkohol.
Doch in der Bibel steht geschrieben:
Du sollst auch deine Feinde lieben.

Der Erfinder von “Max und Moritz” portraitiert sich: Max, das ist Buschs Jugendfreund Erich Bachmann, und Moritz, das ist er selbst. Aber die Streiche der beiden, die fanden wohl eher in Buschs Phantasie statt, denn er war ein sehr zartes, ängstliches Kind. Bei der Schweineschlachtung konnte er nicht zusehen, und die armen Tiere taten ihm so leid, dass er sich Zeit seines Lebens vor Schweinewurst ekelte. Muss deshalb das Ende der beiden waghalsigen Jungen so grausig sein?

Wieviel Grausamkeit er als Kind erfahren hat, ist nicht mehr genau feststellbar, zumindest in der Dorfschule dürfte er mit dem Rohrstock Bekanntschaft gemacht haben. Rohrstock plus protestantische Ethik: Führen sie zum unbewussten Wunsch, bestraft zu werden?

Der Abend ist trotzdem vergnüglich, der Schauspieler Norbert Eilts exzellent, und Buschs Verhohnepipelung der deutschen Spießbürger und Frömmler geht mir erst an diesem Abend so richtig auf. Der Humor des ernsten, verschlossenen, “sturmfesten” Satirikers, des Urvaters des Comics, schreibt das Programmblatt, entsprang einer existentiellen Auseinandersetzung mit sich selbst – und dem ambivalenten Wesen des Menschen.

Prädikat empfehlenswert: “Buschwerk” gehört zum festen Repertoire des Wortkinos, Werastr. 6, 70182 Stuttgart, www.wortkino.de.

 

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