Blick von Bonn über den Rhein aufs Siebengebirge
Im orange-rosa Morgengrauen, kurz vor halb sechs, wache ich Gästezimmer meiner Bonner Freundin auf. Eine meiner sieben Perseiden-Sternschnuppen, die „Gesundheit“, scheint schon gewirkt zu haben: Ich brauchte für die Nacht kein Opiat und bin damit auf dem Weg des Ausschleichens der Schmerzstiller ein gutes Stück weitergekommen!
Draußen beginnt es zu regnen, eine Wohltat für die Natur. So mache ich einen Teil meiner Morgengymnastik im Zimmer und lasse mich nur für das letzte Viertel vom Himmel berieseln, bevor ich mich unter die Dusche stelle, anziehe und anschließend mit Qi-Gong-Kugeln (chinesisch, Metall mit Glocken darin) meine rechte Hand trainiere. Im Haus ist noch alles still, und ich versuche, eine Gemeinnützigkeitssatzung für unser Ökoglückshaus im thüringischen Greiz zu entwerfen.
Später, nach dem Frühstück mit exotisch verpacktem Bio-Schwarztee aus Georgien, machen wir noch einen Spaziergang ans Bonn-Plittersdorfer Rheinufer, denn wie sagt meine Freundin so richtig: „Man kann nicht Bonn besuchen, ohne am Rhein gewesen zu sein.“
Nach einem kleinen Mittagessen und selbst gesammelten und -gekochten Zinnkrauttee brechen wir zum Bonner Hauptbahnhof auf. Hier heißt es Abschied nehmen, auch von meiner Tochter Lenja, die noch bis Samstag in Bonn bleiben wird.
Mein Zug hat verzeihliche zweiundzwanzig Minuten Verspätung (Notarzt-Einsatz). Zum Ausgleich gönne ich mir einen doppelten Espresso und ein Laugengebäck mit Vitamin-E-reichen Sonnenblumenkernen, die zudem mehr Eiweiß enthalten als ein Steak. Im Intercity werde ich mit der saubersten IC-Toilette aller Zeiten belohnt, sie blitzt richtig. Und mit einem freundlichen Schaffner, der anstandslos akzeptiert, dass ich statt meiner Bahncard 25 nur eine Fotokopie vorweisen kann (ich erinnere mich genau, wo zu Hause ich das Original liegt). Und mit einer Rückfahrt wieder auf einer der neun schönsten Bahnstrecken Deutschlands, durch das Mittelrheintal – diesmal sogar mit einem Fensterplatz in Fahrtrichtung auf der flusszugewandten Seite. An Orten vorbei, die so verwunschen heißen wie Namedy, Urmitz, Spay, und natürlich Loreley-Felsen und Bacharach, das mich immer an Heinrich Heines Rabbi erinnert. Heute ist definitiv ein Glückstag, womit schon eine weitere wunderschöne Sternschnuppe mir einen Wunsch erfüllt hat!
Nach Bingen fange ich an zu lesen. Meine Freundin hat mir zum Geburtstag eine Ausgabe der französischsprachigen Zeitschrift „écoute“ geschenkt. Darin gibt es eine nette kleine Fortsetzungsgeschichte von Élisabeth Fétizon, „Das Rätsel von Saint-Trémeur“, aus der ich einen kleinen Ausschnitt hier übersetze, weil er so gut zum Thema dieses Blogs passt:
„Mme Dreau kam vor dieser Kapelle aus dem 15. Jahrhundert an und war wie jedes Mal bewegt von ihrer Schönheit. Die Einfachheit der Kapelle mit ihrem langen, niedrigen Kirchenschiff und ihrem zerbrechlichen Kirchenturm, der sich gegen den Himmel erhob, war von einer seltenen Eleganz. Die alte Dame näherte sich einer Tür aus rotem Holz, die schön mit dem weißen Turm des Gebäudes kontrastierte.“
So geht Schönheit also auch!