Mittwoch, 5.9.2018: Beziehungsglück

14.02.2014: Hochzeit im Stuttgarter Neuen Schloss. Mein Vater ist Trauzeuge.

Heute vor sechzehn Jahren habe ich Klaus zum ersten Mal geküsst – dieses Datum ist in unsere Eheringe eingraviert. Exakt einen Monat zuvor, am 5.8.2002, hatten wir uns kennengelernt, in der S-Bahn vom Stuttgarter Flughafen Richtung Innenstadt. Ich kam gerade von einer Urlaubsreise durch Südnorwegen zurück und war ziemlich aufgedreht, weil gepäcklos – meine Habseligkeiten drehten noch in Amsterdam auf dem Förderband. Als in Leinfelden ein schwarz gekleideter, schlanker, dunkelhaariger Mann mit grauen Augen zustieg, dessen Rucksack sperrangelweit offen stand, sprach ich ihn sofort an. Wir unterhielten uns angeregt, und als ich an der Schwabstraße aussteigen musste, gab er mir seine Telefonnummer.

So fing es an. Wir trafen uns in den nächsten Wochen häufig, aber es blieb platonisch, bis ich ihn am besagten Septemberabend fragte, worum wir eigentlich die ganze Zeit so intensiv diskutierten – um eine Freundschaft oder eine Beziehung?

Eigentlich war alles klar. Und während ich bis zu diesem Moment immer verhütet hatte, haben Klaus und ich von der ersten Nacht an dies nicht getan – wir wollten beide ein Kind miteinander. Der errechnete Geburtstermin für Lenja war der 3.6.2004. Aber wie ein Freund, der Hexer Peter, so treffend sagte: “Wenn du möchtest, dass sie erst am 5.6. auf die Welt kommt, wird genau das auch geschehen.”

Und so kam es denn, allerdings bescherte es mir weit über dreißig Stunden Wehen, denn die begannen pünktlich schon am 3. Juni. Aber die 5 ist nun einmal unsere Glückszahl…

Ich habe einen wundervollen Mann und eine ganz besondere Tochter bekommen. “She is going the fairy way”, sagte mein Kollege Alastair schon, als sie gerade anfing zu laufen. “Und wie geht es deiner Elfe?” wollte erst diese Woche eine Bauchtanzfreundin wissen. Uns als Eltern war es immer wichtig, nicht-direktiv ihr gegenüber zu sein. Sie sei hochbegabt, wird immer wieder vermutet, für uns zählt aber nicht, ob sie das Abitur macht, sondern dass sie ein freier (auch frei denkender), glücklicher Mensch wird.

Geheiratet haben wir erst sehr spät, an einem Tag, dessen Quersumme ebenfalls 5 ist: am 14.02.2014, dem Valentinstag. Wir waren das erste Brautpaar, das sich im Stuttgarter Neuen Schloss das Ja-Wort gegeben hat (siehe Foto), Lenja durfte die Urkunde mit unterschreiben und bekam ebenfalls einen Ring – ihrer ist aus Silber, unsere sind aus Russengold. Zwei Hänse fungierten als Trauzeugen – mein Vater und Klausens Halbbruder.

Ich habe es nie bereut, Klaus geheiratet zu haben – er ist für mich ein idealer Mann, und häufig bin ich schon um ihn beneidet worden. Auch unsere Tochter bestätigt uns, dass wir weit weniger streiten als alle anderen Eltern, die sie kennt (hmm, ganz sicher bin ich nicht: eventuell streitet meine Erfurter Freundin genauso selten mit ihrem Mann).

Vielleicht steht ja Beziehung bei Ihnen nicht auf der Prioritätenliste – für mich aber (wie Sie auf der Seite links nachlesen können, “Über mich und diesen Blog”) sind lieben und mich lieben lassen ganz oben bei den Charakterstärken, die mich glücklich machen – zusammen mit dem Schönheitssinn, um den es ja neben dem Glück im allgemeinen in diesem Blog geht. Klaus und Lenja sind mein großes Glück.

Und so habe ich meinem Mann gestern auf dem Rückweg von der Ergotherapie eine rote Strauchrose gepflückt, Kornelkirschen und ein paar Brombeeren, die ich zufällig noch entdeckte (er liebt Brombeeren sehr). Na ja, und ein Kuss durfte natürlich auch nicht fehlen!

Dienstag, 4.9.2018: Pflanzliste für unseren Greizer Öko-Glückskräutergarten in spe

Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Noch wächst in unserem Garten im thüringischen Greiz nur Wildes, aber wenn wir einmal endgültig dort leben werden, möchte ich einen Glücksgarten anlegen – Platz genug dafür haben wir. Es gibt viele Pflanzen, die glücklich machen, zum Beispiel Kakao, Zimt und Vanille – aber die eignen sich natürlich nicht für einen Anbau in unseren Breiten.

Jedoch gibt es auch bei uns mehr als genug Pflanzen, die glücklich machen – entweder, weil sie es tatsächlich tun (wie das antidepressiv wirkende Johanniskraut oben), weil sie glücklich-orange blühen (wie die Ringelblume), weil sie aphrodisiakisch wirken, indem sie zum Beispiel die Durchblutung anregen (wie der Rosmarin) oder weil sie laut Volksmund magisches Glück verheißen – sei es in der Liebe oder beim Schätze Finden.

Ich selbst möchte den Garten fast ausschließlich mit orange-gelb-weiß-Blühern bestücken, hinzu kommen einige Tupfer rot und nur eine blaue Ausnahme (die Gundelrebe, die ich für meinen veganen Gundelreben-Kuchen brauche). Hier ist sie also, meine Liste – wobei ich auf Giftpflanzen verzichten werde, die können nach meinem Dafürhalten nicht wirklich glücklich machen:

Schon vorhanden sind:

  1. Brennnessel (Urtica dioica) und
  2. Huflattich (Tussilago farfara)

Hinzu kommen die folgenden Bäume und Sträucher:

  1. Birke (Betula pendula)
  2. Haselnuss (Corylus avellana)
  3. Holunder, Schwarzer (Sambucus nigra)
  4. Johannisbeere, Schwarze (Ribes nigrum)
  5. Kornelkirsche (Cornus mas)
  6. Lärche (Larix decidua)
  7. Latschenkiefer (Pinus mugo ssp. mugo)
  8. Linde (Tilia ssp.)
  9. Ramblerrose ‚Lykkefund‘ (Rosa ssp.)
  10. Rosskastanie (Aesculus hippocastanum)
  11. Sanddorn (Hippophae rhamnoides)
  12. Stechpalme (Ilex aquifolium) – ist zwar giftig, aber aus den Beeren lässt sich doch im Elsass ein Obstbrand herstellen, der Baie de Houx.
  13. Wacholder (Juniperus communis)
  14. Weißdorn (Crateagus ssp.)
  15. Wein, Echter Wilder (Vitis vinifera ssp. sylvestris) – den brauchen wir zur Begrünung eines Teils der Hausfassade, na, und das Wein aphrodiasiakische Qualitäten hat, haben Sie bestimmt schon selbst verspürt

Und an Blumen und Kräutern will ich pflanzen:

  1. Allermannsharnisch (Allium victorialis)
  2. Angelika / Engelwurz (Angelica ssp.) – Angelica sylvestris wächst in Greiz auch wild
  3. Anis (Pimpinella anisum)
  4. Arnika (Arnica montana) – eine der Greizer Leitpflanzen
  5. Bärlauch (Allium ursinum)
  6. Basilikum (Ocimum basilicum) – im Kübel, ist eh nur einjährig
  7. Beifuß (Artemisia vulgaris)
  8. Dill (Anethum graveolens)
  9. Eisenkraut (Verbena officinalis)
  10. Erbsen (Pisum sativum)
  11. Erdbeere (Fragaria vesca)
  12. Fenchel (Foeniculum vulgare)
  13. Frauenmantel (Alchemilla vulgaris)
  14. Gänseblümchen / Tausendschön (Bellis perennis)
  15. Glockenblume, Weiße (Campanula ssp.)
  16. Gundelrebe / Gundermann (Glechoma hederacea) – wie gesagt, mein einziger Blaublüher
  17. Habichtskraut, Orangerotes (Hieracium aurantiacum)
  18. Heidekraut, Weißblühendes (Calluna vulgaris)
  19. Hyazinthen, Weißblühende (Hyacinthus ssp.)
  20. Iris, Weißblühende (Iris germanica ssp. Florentina)
  21. Johanniskraut, Echtes (Hypericum perforatum)
  22. Kamille, Echte (Matricaria chamomilla)
  23. Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus)
  24. Karotten, orangefarbene (Daucus carota)
  25. Klatschmohn (Papaver rhoeas)
  26. Klee, vierblättriger (meist der weiße Trifolium repens) – den südamerikanischen Glücksklee, Oxalis tetraphylla, den es an Sylvester überall zu kaufen geht, möchte ich hingegen nicht anpflanzen, das ist zu simpel
  27. Knabenkraut, Breitblättriges (Orchis latifolia bzw. Dactylorhiza majalis) in einer weißblühenden Variante. Das dürfte schwierig werden, die Pflanze ist allgemein geschützt und nur schwer erhältlich – aber vielleicht ist das in Greiz anders, denn hier wächst sie massenhaft. Die Wurzelknollen gelten als Glückshand und werden auch Johannishändchen genannt.
  28. Königskerze (Verbascum ssp.)
  29. Koriander (Coriandrum sativum)
  30. Labkraut (Galium verum)
  31. Lampionblume (Physalis alkekengi)
  32. Lavendel, weiß blühender (Lavandula angustifolia)
  33. Leinkraut (Linaria vulgaris)
  34. Mädesüß, Echtes (Filipendula ulmaria) – kommt in Greiz auch wild vor und ist eh eine meiner Lieblingspflanzen
  35. Magerwiesen-Margerite (Leucanthenum vulgare)
  36. Minzen (Mentha ssp.), z.B. Bergamotte-Minze oder Pfefferminze (sie sollten weiß blühen)
  37. Nachtkerze (Oenothera biennis)
  38. Peperoni (Capsicum annuum ssp. cubanelle) – das Horn von Neapel, hilft gegen den bösen Blick
  39. Pimpernelle / Kleiner Wiesenknopf (Sanguisorba minor) – einer der roten Flecken
  40. Quendel, weiß blühender (Thymus pulegioides)
  41. Ringelblume (Calendula officinalis)
  42. Rosen, Rosen und nochmal Rosen (Rosa ssp.), es soll einen Rosenbogen geben, und die Ramblerrose Lykkefund (dänisch für Glücksfund – die haben wir schon hier in unserem Stuttgart-Sillenbucher Garten) wird ebenso einen Platz bekommen wie andere stark duftende Rosen, weiße, lachsfarbene, orange und vielleicht auch eine feuerrote
  43. Rosmarin (Rosmarinus officinalis) – nur im Kübel, falls ich keine winterharte Sorte bekomme
  44. Tulpen, orangefarbene (Tulipa ssp.)
  45. Sauerklee, Wald- (Oxalis acetosella)
  46. Schachtelhalm, Acker- (Equisetum arvense)
  47. Schafgabe (Achillea millefolium)
  48. Schlüsselblume (Primula veris)
  49. Senf, Schwarzer (Brassica nigra)
  50. Silberdistel / Eberwurz (Carlina acaulis) – falls es mir gelingt!
  51. Sonnenblume (Helianthus annuus)
  52. Taubnessel, Weiße (Lamium album)
  53. Thymian, ein weiß blühender (Thymus vulgaris)
  54. (Zitronen-)Melisse (Melissa officinalis)

 

Nicht zu vergessen ist ein Bienenstock – denn Honig macht glücklich, fragen Sie nur Pu, den Bär!

Ob ich wohl für alle ein Plätzchen finde, an dem sie sich wohlfühlen? Fallen Ihnen noch weitere Glückbringer ein, die in Mitteldeutschland gedeihen?

Ihre Barbara Pfeiferin

Montag, 3.9.2018: Geschenke, die glücklich machen

Tausendschön / Gänseblümchen (Bellis perennis)

Gestern waren mein Mann und ich bei Freundin Maja nachträglich zum Geburtstag eingeladen, es gab leckeren Apfelkuchen und hintendrein Raclette – sowohl für Fleischesser als auch für mich als Veganerin.

Zum ersten Mal habe ich bewusst versucht, ein Geschenk zusammenzustellen, das sowohl schön ist als auch glücklich macht. Vor ein paar Wochen waren sie und ich zusammen bei Spielwaren Kurtz, um ein paar Kleinigkeiten wie Kerzen und Luftballons für die Kinder zu besorgen. Dabei hatte ich ihre leuchtenden Augen bemerkt.

So etwas muss es doch auch für Erwachsene geben, dachte ich mir, und bin bei 1000schön in der Stuttgarter Eberhardstraße fündig geworden (www.1000schoen-stuttgart.de). Hier gibt es Blech-, Holz- und Stoffspielzeug, (Wind-)Spiele, Murmeln in allen nur denkbaren Ausführungen, Wundertüten (auch für Erwachsene!) und vieles mehr.

Also bekam Maja: ein Kaleidoskop, ein Millefiori-Lolli mit „Happy Birthday“-Schriftzug, ein kleines Holzpuzzle à la Mona Lisa, eine Muschel mit echten Korallen darin, die sich unter Wasser öffnet, auf das eine Geschenkpapier noch eine schöne Murmel geklebt, und aus meinem eigenen Fundus ein kleines Seidentuch, ein zitroniges ätherisches Öl, einen Habanero-Chili (scharf ist eigentlich etwas, das der Zunge wehtut, und um den Schmerz auszuschalten, produziert der Körper Endorphine), und einen Beutel von meinem Sonnentor-Glückstee. Alles verpackt in Margeriten-Papier mit rotem, blauen und gelben Kräuselband und präsentiert in unserem Körbchen, in dem wir normalerweise Beeren pflücken.

Aber es sind natürlich noch viele andere Dinge möglich: Geburtstagskerzen mit grünem Klee (gibt es in vielen Schreibwarenläden), Geschenkpapier mit Marienkäfern, Wunderkerzen oder selbstgemachtes Johanniskrautöl. Johanniskraut wirkt nämlich – wissenschaftlich nachgewiesen – antidepressiv, vor allem als Tee getrunken, aber natürlich zieht es auch als Öl in die Haut und damit in unserem Körper ein. Wie wäre es mit einem selbstgepflückten Strauß voller Wiesenblumen? Oder mit einem selbstgebackenen, veganen Zartbitter-Schokoladenkuchen?

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, etwas Schönes und Glücklichmachendes zu schenken, bestimmt fallen Ihnen noch weitere einen.

Ihre Barbara Pfeiferin

Sonntag, 2.9.2018: happinez oder: Was hat Glückseligkeit mit Kitsch zu tun?

Neueste Ausgabe der Zeitschrift happinez mit verkitschtem Foto der Malerin Frida Kahlo

Vergangenen Freitag besuchten wir vor unserer Zugfahrt nach Karlsruhe noch die Stuttgarter Bahnhofsbuchhandlung. Dabei fielen mir vier Zeitschriften zum Thema Glück auf – es scheint im trendy zu sein. Die Zeitschrift happinez lag sogar im Stapel aus und sprang mir sofort ins Auge, weil mein Mann und ich ja erst vor wenigen Tagen Fridas Besuch im Lapidarium genossen haben (siehe Beitrag vom 24.8.2018). Hier nun schmückt die Malerin das Titelbild einer Zeitschrift, jedoch überzogen von Glitzerstaub wie die kitschigen Oblatenbildchen, die wir uns in meiner Kindheit in die Poesiealben klebten („Lebe glücklich und froh wie der Mops im Haferstroh“ wünschte mir eine Freundin, die schon damals an Herzrhythmusstörungen litt und später obdachlos wurde). Das Titelbild steht Frida Kahlos Leben und Werk so diametral entgegen, dass die Arme sich gewisslich im Grabe umdreht, wenn man ihr davon berichtet.

Warum die Zeitschrift nicht Happiness (also Glückseligkeit) genannt wurde, sondern Happi Nez (nez ist das französische Wort für Nase und deshalb erinnert die Wortschöpfung mich an Nasen-Hundefutter), entzieht sich meiner Kenntnis, vielleicht sollte es cooler wirken.

Hinter dem Ganzen steckt die Bauer Media Group mit einem Jahresumsatz von 2,32 Mrd. € (2013), die tief im Yellow-Press-Segment wurzelt, also Schrott zur Verblödung produziert und bestimmt weniger an der Glückseligkeit ihrer Leserinnen interessiert ist als am Mammon. Zu ihrem Portfolio gehören solch abgeschmackte Titel wie Bravo, Alles für die Frau oder Neue Post, insgesamt sind es 600. Dass da auch mehrfach rechtsradikale darunter sind bzw. waren, verwundert nicht. Und ebenso wenig, dass der Deutsche Presserat Rügen gegen den Konzern aussprechen muss.

Was aber nun versteht happinez unter Glückseligkeit? Nun, zunächst einmal beziehen sie sich wie auch ich es getan habe auf den US-Psychologen Martin Seligman. Aber der Fokus ist ein anderer – happinez zielt auf ein „angenehmes Leben“ ab, und behauptet, dies könne auch in kleinen Schritten erreicht werden, während es Seligman um die großen Visionen geht. Aber die lassen sich nicht so gut vermarkten wie solch eine Zeitschrift (Preis 5,90 €) bzw. „zwei zu einem Preis“ in umweltschädlichem Weichplastik verschweißt (7,95 €). Und dann ist da noch der happinez-Shop, wo man von Schmuck und Accessoires, Yoga und Wellness, Wohnen und Textilien sowie Lesen und Schreiben für teures Geld alle nur erdenkbaren Kinkerlitzchen kaufen kann, bis hin zu einer gerade einmal 82g schweren Ganesha-Mala-Kette aus Silber und Halbedelsteinen für 219 €. Ach ja, Shoppen macht NICHT glücklich, warnt Seligman, und die hedonistische Tretmühle des immer mehr Besitz Anhäufens ebensowenig. Aber das verschweigt happinez wohlweislich. Oder dass die Lebenszufriedenheit in der VR China ebenso hoch ist wie in Italien – obwohl in China die durchschnittliche Kaufkraft nur bei 9, in Italien bei 77 (im Verhältnis zu den USA mit 100) liegt.

Wundert es da noch, dass die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche auch dem Bauer Media Group die verschlossene Auster verliehen hat für die intransparente Machart ihrer Klatschmagazine? Ihr Verhalten schade der Glaubwürdigkeit des Journalismusses, so die Begründung, hier bezogen auf die Neue Post.

Aber warum steht nun Kitsch dem Glück im Wege? Manchmal, an Weihnachten, überkommt er mich durchaus auch, aber ich bin mir bewusst, dass „The Little Drummer Boy“ im Radio mich auf dem Weg zum Glück kein Stück weiter bringen wird, auch wenn mir Tränen der Rührung in den Augen stehen. Da die Etymologie des Wortes Kitsch nicht sicher ist, kann ich hier nur meine eigene Definition anfügen: Es steht für unechte Gefühle, also zum Beispiel für Sentimentalität im negativen Sinne, Stereotype, Klischees und einer Massenproduktion zur Erweckung solcher Gefühle – anstelle von Kunst und Können. Der Eiffelturm als Schlüsselanhänger Made in China ist Kitsch. Ja, er erinnert mich daran, dass ich in Paris war – aber kann dieser 5cm-Guss wirklich das Gefühl wieder wachrufen, das ich in dem Moment empfand, als ich unter ihm meinen Mann küsste, der unsere Tochter an der Hand hielt und ein bisschen Paris erkundet hatte, während ich mit französischen Verlegern verhandelte?

Ein anderes Beispiel für Kitsch ist das bayrische Dirndl, dass sich seit ein paar Jahren auf den Stuttgarter Volksfesten breit macht – diffuse Heimatgefühle werden produziert, ohne dass die Jugendlichen noch wissen, wie die Tracht hier wirklich ausgesehen hat, nämlich zum Beispiel so wie links stehend – zugeknöpft, mit langen Hosen und Röcken, auch gern mit Kopfbedeckung. Stattdessen werden rosa-weiß karierte Polyesterdirndls beim Discounter erstanden, weit ausgeschnitten und knapp unter dem Po endend, die den meisten Mädchen nicht stehen und in denen sie sich an kälteren Tagen schier zu Tode frieren. Falsche Heimatgefühle eben, ohnmächtiger Ausdruck der Angst vor Wirtschaftskrise und Globalisierung. Und: Die schwäbische Tracht ist ausgestorben – sie künstlich wieder zum Leben zu erwecken wäre auch schon wieder Kitsch! Unsere heutige Tracht, also das, was bestimmte Stände und Berufsgruppen als Zeichen ihrer Zugehörigkeit tragen zu müssen glauben, das sind Anzug und Krawatte auf der einen und Jeans mit T-Shirt und Turnschuhen auf der anderen Seite – und auch hinter diesen Trachten steckt eine gehörige Portion Zwang – genau wie hinter dem Dirndl im 19. Jahrhundert. Und so wie Kitsch und Glück nicht zusammenpassen, so ist es auch mit Zwang und Glück und Tracht und Glück. Wie gesagt: Frida Kahlo würde sich im Grabe umdrehen.

Kurz und gut: Ich rate vom Kauf der kitschigen, nur am Profit der Bauer Media Group orientierten Zeitschrift happinez dringend ab, ebenso wie von anderen Produkten der Bauer Media Group.

Ihre Barbara Pfeiferin

P.S.: Wenn Sie mehr wissen wollen zur Pressekonzentration, empfehle ich Ihnen folgenden Beitrag aus „Die Anstalt“: https://www.youtube.com/watch?v=MOpNkgFTuBU

 

Samstag, 1.9.2018: Karlsruhe – Das persische Café

Meine Familie und ich haben die Nacht in der Jugendherberge Karlsruhe eher schlecht als recht verbracht – werden aber mit dem vermutlich besten Frühstück entschädigt, das ich je in einer Jugendherberge genossen habe: Kaffee, Milch, Kakao und sämtliche Tees sind Bio und teilweise Fairtrade, und es gibt vier verschiedene vegane Pasteten zu wirklich frischen Brötchen in reichhaltiger Auswahl, nebst Obstsalat, Gurken und Tomaten.

Gegen neun Uhr haben wir ausgecheckt und schlendern auf neuen Wegen Richtung Süden zum Hauptbahnhof. Wir erkunden einen großen Flohmarkt, ohne etwas zu kaufen und landen schließlich in der Waldstr. 81 in einer persischen Café-Creperie, Safran, von einer noch jungen, unverschleierten Frau geführt, die begeistert von unserer Stuttgarter Oper schwärmt, als sie erfährt, woher wir kommen. Neben unseren Espressi gibt es wundervollen, selbst hergestellten Wassermelonensaft und persisches Gebäck mit Pistazien und Kardamom – köstlich. Das Café ist gleichzeitig ein Teeladen, mit Dutzenden von Sorten, mit japanischen Teekännchen, aber auch etwas persischer Keramik, und das alles zwar modern eingerichtet, aber gleichzeitig von bunten Lämpchen in wechselnden Farben beleuchtet. Das macht Freude! Und erinnert mich gleichzeitig an ein magisches Buch, das ich vor Jahren gelesen habe: „Das persische Café“ – ein Roman mit Rezepten von Marsha Mehran, © Limes Verlag 2005 (sehr empfehlenswert).

Danach führt der Weg uns wieder an der Mauer des Zoologischen Stadtgartens entlang zum Hauptbahnhof, wir müssen uns mehr beeilen, als uns lieb ist – zu schön war es in Karlsruhe.

Der Nachmittag in Stuttgart verläuft ruhig, Freundin Maja ruft an und Freundin Lilian kommt zu Espresso und Sonnentor-Glückstee zu Besuch, wir alle sind etwas müde, aber guter Dinge.