Der Glück bringende Eisvogel

Ein Vogel wie Eisen, oben metallisch-türkis schillernd, unten rostbraun – ein farblich so auffälliges Tier muss in unseren Breiten einfach eins Glücksbringer sein! Im thüringischen Greiz kann man ihn mit etwas Glück an der Weißen Elster beobachten, ein geduldiger Jäger, der blitzschnell ins Wasser taucht und mit einem kleinen Fisch im Schnabel zurückkommt. Wenn ein Mensch ihn erstmals sieht, wirkt er so unwahrscheinlich wie ein Traum. Als Glücksbringer gilt er auch den thüringischen Glasbläsern in Lauscha, die ihn als Weihnachtsbaumschmuck verkaufen:

Sein australischer Verwandter wird Lachender Hans genannt, und mein Biologielehrer auf dem Gymnasium bezeichnete auch unseren einheimischen Eisvogel so, obwohl sein Gesang etwas weniger ausdrucksstark ist.

Bei Wikipedia heißt es zur Benennung:

Im Jahr 1758 bezeichnete Linné den Eisvogel als Alcedo ispida. Der lateinische Name Alcedo ist abgeleitet vom griechischen Halkyon, was so viel wie „die auf dem Meer Brütende“ bedeuten kann: Die um ihren Gemahl Keyx trauernde Alkyone und er selbst waren nach ihrem Tod von einem barmherzigen Gott in Eisvögel verwandelt worden. Jeden Winter trägt nun die Eisvogelhenne ihren toten Partner zu Grabe. Danach baut die Henne ein Nest, das sie auf den Wellen treiben lässt. Hinein legt sie die Eier und brütet ihre Küken aus. Nestbau und Brüten geschieht in den halkyonischen Tagen, das sind die je sieben windarmen Tage vor und nach der Wintersonnenwende. Die alten Griechen und Römer hielten den Mythos für real. Plutarch dachte, das Nest bestünde aus ineinander verflochtenen, kleinen Fischgräten und Plinius der Ältere berichtet in seiner Naturalis historia um 70 nach Christus von einem schwammähnlichen, nicht durch Eisen zerschlagbaren Nest. Selbst noch im 19. Jahrhundert hielt man die halkyonischen Tage für die Brutzeit des Eisvogels.

Zur Herkunft des deutschen Namens gibt es mehrere Theorien. So lässt sich der Name wahrscheinlich vom althochdeutschen „eisan“ ableiten, was „schillern“ oder „glänzen“ bedeutet und auf das glänzend-farbige Gefieder des Vogels bezogen ist. Wenige Autoren beziehen den Namen tatsächlich auf das Eis, indem sie einen Bezug zu seinem Aufenthalt an zugefrorenen Gewässern, dem Abeisen oder zu toten Tieren im Eis herstellen. Andere beziehen sich auf die „eisblauen“ Rückenfedern oder seine leichtere Auffindbarkeit bei Eis und Schnee. Zuletzt gehen einige Autoren davon aus, dass der Name ursprünglich „Eisenvogel“ bedeutet haben sollte, da die Rückenfedern des Vogels stahlblau oder die Unterseite rostrot gefärbt sei.

In englischsprachigen Ländern heißt er „Kingfisher“ und bei den Schweden „Kungsfiskare“. Als weiterer Name wird die Bezeichnung Sankt-Martins-Vogel oder Martinsfischer in Frankreich, Spanien und Italien verwendet.

Mythologie und Sage

Auf Grund der oben erwähnten griechischen Sage um überdauerte der Glaube an die Gattenliebe und die Treue des Eisvogels bis mindestens ins 19. Jahrhundert hinein. So ging der Naturforscher Conrad Gessner 1669 davon aus, dass das Weibchen beim Tod des Männchens einen Trauergesang anstimmen würde. Er soll Macht und Reichtum, Frieden und Schönheit verheißen. Zudem gilt er als GLÜCKSBRINGER. Zuletzt soll er den Fischern reichen Fang und den Schiffern eine gute Reise ermöglichen.

Nach einer französischen Sage wurde der damals noch grau gefärbte Eisvogel von Noah der Taube nachgeschickt. Er sollte erkunden, ob sich die Wasser der Sintflut zurückgezogen hätten. Da er auf seinem Flug einem Sturm ausweichen musste, flog er so hoch, dass die Oberseite die Farbe des Himmels annahm und die Unterseite von der Sonne rot gebrannt wurde. Als der Bote Bericht erstatten wollte, konnte er die Arche nicht mehr finden, so dass er noch heute die Gewässer nach Noah suchend abstreift.

Talismane aus Eisvogelfedern und -bälgen wurden früher gegen Blitzschlag eingesetzt. Das am Hals getragene getrocknete Herz sollte vor Gift und schwerer Not schützen. Mumifizierte Vögel dienten als Mittel zur Mottenabwehr und an einem Faden aufgehängt auch als Kompass und Wetterfahne. Sich widersprechenden Theorien zufolge sollte der Schnabel immer nach Norden oder in Windrichtung zeigen.  Paracelsus nahm an, dass der Eisvogel nach seinem Tod nicht verfaule, so dass der Naturforscher Balthasar Sprenger 1753 einen bestätigenden Artikel darüber abfasste.

Und wo finden wir dieses Kleinod in der Natur? Nun mit etwas Glück zum Beispiel im Padborger Tunneldal am Gendarmstien, beim Kruså-See – aber auch am Max-Eyth-See in Stuttgart stehen die Fotografen stundenlang, um DAS Bild des Vogels zu schießen.

 

Donnerstag, 6.9.2018: Reiseglück

Auch wenn das nun nicht zum täglichen Beüben meiner Stärken wie dem Schönheitssinn gehört: Reisen macht mich glücklich, je weiter, je besser und: je fremdländischer, je besser. Es gibt nur eine Ausnahme: Ich reise nicht gern in Kriegs- und Krisengebiete. Ich habe das sowohl in Türkisch-Kurdistan (damals unter Kriegsrecht) als auch in Israel-Westjordanland-Gazastreifen erlebt und weiß: Ich will nicht Angst um mein Leben oder vor Verhaftung aus politischen Gründen haben.

Ich vermute, dass die Lust am Reisen genetisch bedingt ist: Mein Urgroßvater fuhr zur See und arbeitete später bei der Bahn, nachdem eine Trosse ihm die Hand zertrümmert hatte. Man sagt, er habe an jedem Endbahnhof eine Geliebte gehabt. Mein Großvater wiederum arbeitete vor dem Dritten Reich in Mailand und Barcelona und musste schließlich vor den Nazis über Polen in die Schweiz fliehen, wo er bis 1948 lebte.

Mein Vater schließlich hat schon in den 60er und 70er Jahren mit uns Kindern große Reisen unternommen, als die meisten Leute noch jahraus jahrein nur an die Nordsee oder in die Berge nach Österreich fuhren. Als ich sechs war, feierten wir mit vielen anderen das Mitssommerfest in Südschweden. Später lernten wir auch Nordschweden kennen und außerdem Dänemark, Finnland, Russland (Leningrad!), Frankreich, die Schweiz natürlich, Österreich, Jugoslawien, Griechenland und Italien. Und selbstverständlich hatte mein Vater alle Segelscheine, auch wenn er nie mit mir gesegelt ist.

Die massiven Glücksgefühle beim Reisen habe ich jedoch erst kennengelernt, als ich es nach dem Studium zum ersten Mal wagte, allein zu verreisen: Gebucht hatte ich lediglich den Flug und die ersten drei Nächte in der Jugendherberge von Reykjavik, und reisen wollte ich mit dem Linienbus einmal rund um Island. Schon im Flieger hatte ich Glückstränen in den Augen, später kamen sie dann auch einmal im Bus, als die Fensterscheibe das Licht in einen Regenbogen verwandelte – und beim unerwarteten Anblich des Polarlichts (es war erst September!).

“Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein”, singt Reinhard Mey, und ich kann das bestätigen, selbst bei Geschäftsreisen weine ich manchmal vor Glück, wenn wir die Wolkendecke durchstoßen haben. Mittlerweile zahle ich natürlich den CO²-Ausgleich via atmosfair (https://www.atmosfair.de/de/), damit mein Fliegen nicht andere unglücklich macht.

Am allerliebsten aber reise ich mit und schlafe ich auf Schiffen, selbst wenn sie gerade so schräg liegen, dass man ein zweites Brett einrasten lassen muss, um nicht aus der Koje zu kullern (so geschehen auf der Noorderlicht vor Spitzbergen, https://oceanwide-expeditions.com/de/unsere-schiffe/sv-noorderlicht). Das letzte mal übergeben musste ich micht mit sechs Jahren auf der Fähre nach Südschweden. Mein Privatrezept gegen flaues Gefühl im Magen: ein trockenes Brötchen und ein Glas Bier. Wissenschaftlich anerkannt ist hingegen Ingwer, gleich ob als Tee oder Bonbon. Natürlich habe ich inzwischen den Segelschein für Binnengewässer und das Bodensee-Schifferpatent. Und Tochter Lenja ist infiziert: den Optimistenschein hat sie schon, nächstes Jahr soll der erste Segelschein für Erwachsene folgen.

Wenigsten eine kleine Schifffahrt muss deshalb in jedem Urlaub dabei sein – und sei es auch nur eine popelige Kanalüberquerung mit einer winzigen Fähre. Und so ist es auch kein Wunder, dass ich am Tag, bevor ich im July ins Krankenhaus sollte, noch schnell mit Lenja eine Fahrt mit dem Neckarkapitän von Bad Cannstatt durch die Mühlhausener Schleuse und zurück gemacht habe – Dampferfahren als Schiffsglück für Arme eben. Wenn mein Kräuterglück dem nicht entgegenstünde, würde ich gern auf einem Hausboot leben…

Heute bin ich nicht mit einem Schiff, sondern nur mit der Deutschen Bahn unterwegs, begleitet von Bio-Lakritz, das mein Mann Klaus mir gestern geschenkt hat. Ich liebe Lakritz.  Anlass meiner Reise ist mein drittes Heilpraktiker-Seminar, für das ich in Sindelfingen keinen passenden Termin gefunden habe. Was lag also näher, als zum Seminar nach BERLIN zu fahren und dies gleich mit Besuchen bei meiner Stiefmutter und meiner Schwester zu verbinden, bei der ich wohnen werde?

Zugfahren ist auf jeden Fall schöner als Autobahnfahren (von unseren beiden letzten Greiz-Aufenthalten sind meine Familie und ich da noch leidgeprüft). Den ersten Teil der Zugstrecke kenne ich sehr gut: Mannheim – Frankfurt – Fulda – Eisenach – Erfurt (von dort aus würde ein Regionalzug direkt nach Greiz fahren). Dann geht es abenteuerlich weiter durch Sachsen nach Halle, Leipzig und schließlich Bitterfeld in Sachsen-Anhalt, bevor wir von Süden aus nach Berlin einfahren. Ich muss an die schrecklichen Demos der Nazis in Chemnitz und Köthen denken. Was ein Glück, dass wir unser Haus im thüringischen Greiz gekauft haben!

Im Gegensatz zu den Nazis habe ich keine Angst vor Fremden. Am liebsten möchte ich alle Länder dieser Welt kennenlernen. Dreieinhalb Staaten pro Jahr müssten es dafür dann allerdings schon sein, und 2018 war ich leider – auch wegen meiner Radiusfraktut und dem CRPS – noch nirgends. Bisher kann ich erst mit 29 besuchten Staaten aufwarten (DDR nicht mitgerechnet) – 194 plus 12 umstrittene gibt es jedoch. Nicht üppig also… Es ist nicht die Lust am Abhaken und damit Besitzen. Ich entdecke gern. Ich bin seeeehr neugierig (und damit sind wir dann wieder bei meinen Kernkompetenzen). Wenn ich etwas Neues sehe – höre – rieche – schmecke, bin ich glücklich. Monotonie (die Plattenbauten im ehemaligen Ostblock…) macht mich unglücklich.

Ursprünglich sollte dies hier ja nur ein veganer Bio-Reiseblog werden (alle drei Punkte machen mich glücklich), nun ist er mit dem Motto “Tagesreisen zu Glück und Schönheitssinn” doch umfassender als geplant – und ich brauche nicht über einzelne Bio-Teebeutel in irgendeinem blutigen Steakhaus berichten.

Und in diesem Moment:

Von Ferne grüßt die Wartburg Eisenach,
Eisenach, das ich noch nie gesehen, nur durchfahren hab,
Eisenach, das Klaus scheu gemieden, aus dem seine Mutter stammt.
Eisenach in Thüringen wie Greiz.
Back to the roots für Klaus, wenn wir nach Thüringen ziehn.
Thüringen, das ich hegen, pflegen und lieben will.

 

Fr, 24.8. – Mo, 27.8.2018: Greiz – Vom Hässlichen zum Schönen


Hier ist es schön: Blick aus unserer Dachgeschoss-Ferienwohnung auf die Greizer Neustadt

Am Freitag sind meine Familie und ich wieder nach meiner Morbus-Sudeck-Behandlung im Krankenhaus mit einem Mietwagen ins ostthüringische Greiz gefahren. Durchaus schwierig, eine Unterkunft zu finden, alles einigermaßen Bezahlbare schien ausgebucht, aber schließlich kamen wir doch in einer netten Dachgeschosswohnung in der Neustadt unter, mit einem phantastischen Preis-Leistungs-Verhältnis.

Der Grund für unser Kommen: Wir haben endlich von der Stadt die Erlaubnis bekommen, die Wohnung unseres letzten, bereits Ende Mai verstorbenen Mieters zu räumen. 69 Jahre ist der Mann alt geworden, er war Alkoholiker, Kettenraucher und litt unter dem Vermüllungssyndrom. Ich habe noch nie so ein ekelhafte Wohnung betreten, geschweige denn ausgeräumt, trotz Atemschutz und Ganzkörperkondom à la Tatortreiniger – den Gestank atme ich ein, und er hängt auch zum Schluss in meinem schwarzen gewachsten Rock fest. Und: Die Wohnung lebt. Verschimmelt ist eh alles auf den ungewaschenen Tellern und in den ebenso ungewaschenen Töpfen, der Schimmel ist sogar schon eingetrocknet. Nachdem ich auf den Eiern im Kühlschrank hunderte von quicklebendigen Maden entdeckt und einmal „Hilfe!“ gerufen habe, versiegeln wir ihn mit Panzerband, bevor wir ihn transportieren.

Samstag und Sonntag brauchen wir, um alles in Schwerlastsäcke zu packen (ich) und die Möbel klein zuschlagen (mein Mann Klaus) und vor das Haus zu tragen – unsere Tochter Lenja lassen wir lieber mit dem Allessauger in den anderen Stockwerken saugen und später wischen, zu groß ist mir als Mutter das Gesundheitsrisiko für mein Kind.

Sehr einsam sei er gewesen, sagt eine Nachbarin mit kleinem Hund, drei Entziehungskuren habe er gemacht, sie habe ihn einmal in seiner Wohnung besucht, er habe ihr leid getan, aber sie beneide uns nicht um unsere Aufgabe. Wann kippt es bei einem Menschen? Was genau ist ihm widerfahren? Er hatte zu DDR-Zeiten viele Preise gewonnen im Federball und Tischtennis und auch im Angeln, war Maschinenbaumeister, Unteroffizier, NDPD-Mitglied (ging nach der Wiedervereinigung in der FDP auf), Gewerkschaftsmitglied und irgendwann auch einmal verheiratet. Nach der Wende: Keinerlei Urkunden mehr. Später gab es dann eine Helga, die im Stockwerk unter ihm wohnte und von der er noch drei Namensbecher hatte. Sie starb in jungen Jahren 2005. Wann ist es gekippt: Nach der Wende? Oder als Helga starb? Wann zerbricht ein Mensch? Wie kann ein Mensch so unglücklich werden? Und wo hat die Stadt ihn eigentlich begraben?

Für den Montag haben wir einen Zehn-m³-Mischcontainer bestellt, aber der erweist sich als zu klein, wir brauchen die doppelte Menge. Um 16 Uhr ist alles in den Containern, wir dürften sogar noch etwas Elektroschrott obendrauf packen, aber dann müsste man wieder hin- und herräumen, denn wegen der Oberleitungen im Stadtteil soll nichts überstehen, und wir sind alle mit unseren Kräften am Ende.

Wir waren in der ganzen Zeit dankbar für die gute Dusche in unserer Ferienwohnung, für das Bio-Essen von Aldi (der Greizer Biomarkt hatte am Freitag leider schon vor unserer Ankunft geschlossen und ist samstags eh zu) – und nach unserer Montagsaktion schließlich für Waffeln-mit-Heidelbeeren und mehr im Eiscafé Doimo, das wir schon von unserem letzten Aufenthalt kannten. Dann heißt es noch Greizer Sekt und Grün-Bitter aus dem ebenfalls vogtländischen Reichenbach für unseren Vermieter besorgen, der während unserer Abwesenheit sich um Katze Kalas gekümmert hat – und zurück geht es nach Stuttgart. Auf unserem Weg von einem stark sanierungsbedürftigen Doppelhaus zu einem Ökoglückshaus Greiz sind wir ein gutes Stück weitergekommen.

Und noch ein Positives hat dieses Horror-Wochenende (das ich vermutlich mein Lebtag nicht vergessen werde): meine Hand ist deutlich beweglicher – und ich konnte sogar das Opiat um weitere 33% verringern. Vielleicht sollte ich häufiger Entrümpeln….

Sonntag, 5.8.2018: Greizer Karikaturen im Satiricum

Für ein Wochenende sind wir von Stuttgart ins thüringische Vogtland, nach Greiz gefahren – in die laut Krankenkasse glücklichste Stadt Deutschlands. Was macht die Greizer so glücklich? Nun, wir werden es herausfinden!

Zunächst einmal macht meinen Mann Klaus, unsere Tochter Lenja und mich glücklich, dass es heute ein wenig kühler ist als an den vorangegangen Tagen – deutlich unter dreißig Grad. Um zehn Uhr eilen wir in die Innenstadtkirche St. Marien zur ersten halben Stunde des Gottesdienstes. Sie wurde nach einem großen Stadtbrand 1805 klassizistisch wieder aufgebaut und ist heute evangelisch. Im Inneren zeigt sie sich in freundlichen Farben: viel weiß, zartgelb und orangebraun, eine fröhliche Kirche. Zu den Kirchenliedern spielt eine Kreutzbach-Orgel aus dem Jahre 1881, 1919 erweitert und mittlerweile eine der größten Thüringens. Der Pfarrer ist locker und unverkrampft. Liegt hier ein Teil der Greizer Glücks? Zumindest will der Aufsteller am Eingang es uns glauben machen: „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“, verrät Psalm 73,28 – und das gilt ja vielleicht auch für den ein oder anderen unter Ihnen?

Dann gehen wir zum Greizer Hauptbahnhof, vorbei an Schaufenstern, die uns handschriftlich und mit Zeichnungen über berühmte Menschen unter dem Motto informieren: „Sie waren so… …frei…“. Wer war so frei? Die blinde Helen Keller zum Beispiel, der libertäre, hingerichtete Pädagoge Francesc Ferrer i Guàrdia oder die Fechterin und Opernsängerin Julie d`Aubigny. Wie ungewöhnlich für eine Kleinstadt von nur knapp 21.000 Einwohnern!

Am Bahnhof heißt uns ein Schild herzlich willkommen und wünscht uns allzeit gute Fahrt, und wir empfangen meine Schwester Gaby, die heute ihrer Erkältung zum Trotz aus Berlin angereist ist, um unser neuerworbenes Fachwerkhäuschen in Greiz-Rothental zu besichtigen. Wir würden uns freuen, wenn sie im Alter mit uns dort einzieht. Im Rothentaler Garten begrüßt uns zunächst einmal eine ausgewachsene Blindschleiche, dann erkunden wir die Gebäude. Ja, romantisch findet Gaby sie auch, aber wir merken ihr deutlich das Erschrecken ob des Renovierungsaufwands an – sie muss alles erst einmal sacken lassen.

Wir haben einen Mietwagen, und so hindert uns nichts daran, einmal kurz über die Grenze nach Sachsen zu fahren und das achte Weltwunder zu bestaunen: die Göltzschtalbrücke in Netzschkau. Einstmals war sie die größte Eisenbahnbrücke der Erde, heute ist sie immer noch unsere weltgrößte Ziegelsteinbrücke – ein Viadukt mit 78 Metern Höhe und sage und schreibe 98 Bögen. Beeindruckend!

Wir haben mittlerweile Hunger, und so setzen wir uns zurück in Thüringen und Greiz im Unteren Schloss im Restaurant „Harmonie“ auf die Terrasse nahe dem hiesigen Fluss, der Weißen Elster, genießen die Aussicht und erzählen. Lustig sind die Kloschlüssel für die Toiletten einmal quer über den Schlosshof: Sie sind an alten Esslöffeln befestigt! Hier wie überall im Städtchen zeigt sich: die Greizer sind ein freundlicher Menschenschlag.

Anschließend zeigen wir Gaby den Greizer Park (ein englischer Landschaftsgarten) und das ehemalige Sommerpalais der hiesigen Fürstenfamilie aus dem 18. Jahrhundert, beide national bedeutsam und deshalb in der Obhut der Thüringer Schlösser und Gärten. Im Satiricum des Palais‘ findet bereits zum neunten Mal die Triennale der Karikatur statt, diesmal betitelt mit „Alles lupenreine Demokraten“. Das Satiricum wurde 1975 als nationale Karikaturensammlung der DDR gegründet und übernahm zunächst einmal den reichhaltigen Fundus der fürstlichen Karkaturensammlung aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, ergänzt durch Karikaturen aus dem Vormärz und der Revolution von 1848, Simplicissimus, Eulenspiegel, Titanic usw. Zu DDR-Zeiten der umfangreichste satirische Bilderfundus. Hier in Greiz, weil hier ja offenbar schon die Adligen einen Sinn für‘s Witzige hatten. Auch Plastikaturen, satirisch-humoristische Objekte, gilt es zu entdecken. Auf der diesjährigen Triennale stellen wirklich alle 76 deutschsprachigen Karikaturisten mit Rang und Namen aus: von A wie Renate Alf, über G wie Gerhard Glück, K wie Kriki, M wie Marunde, T wie Tetsche bis Z wie Bernd Zeller. Hier ist auf jeden Fall einer der Schlüssel für das Greizer Glück: spielerische Leichtigkeit und Humor.

Zum Schluss erkundige ich mich noch, ob die Bibliothek, die ebenfalls im Sommerpalais untergebracht ist, einen Lesesaal für die Öffentlichkeit hat. Sie hat, und mit ihren 40.000 Bänden in deutscher, englischer und französischer Sprache aus dem 17.-19. Jahrhundert werde ich hier für den Rest meines Lebens genug zum Schmökern und Entdecken haben.

Gegenüber dem Sommerpalais befindet sich das KÜCHENHAUS. Es beherbergt im Erdgeschoss ein Café mit eigener Rösterei (Brandt Kaffee) und den mit Abstand exquisitesten Genüssen unseres kleinen Wochenendausflugs: Für mich ist das die beste mexikanische Trinkschokolade meines Lebens, dazu ein veganer Großkeks der aussieht, als ob er aus Turin stammt, für die anderen zum Beispiel russischer Zupfkuchen, Käsekuchen mit frischen Johannisbeeren und Himbeer-Milchshake. Das alles dekoriert mit essbaren Chrysanthemen in lila, gelb und weiß. Himmlisch! Und: „Glück ist, wenn die Katastrophe eine Pause macht!“ philosophiert ein Schild hinter dem Tresen.

Allmählich heißt es nun, Abschied nehmen von Greiz und die Heimfahrt antreten. Vorab interessiert uns aber noch die Klinik im Leben nebst Garten des Lebens: Europas führende Klinik für naturgemäße, biologische Medizin seit über zwanzig Jahren – im Zentrum von Greiz. Krebs- und Schmerzmedizin, Fiebertherapie, Homöopathie, anthroposophische Medizin und vieles mehr bieten sie an. Wie hätten sie hier wohl mein Komplexes Regionales Schmerzsyndrom behandelt? 1.500 Ärzte, Apotheker und Heilpraktiker haben sich deutschlandweit zusammengeschlossen und unterstützen die Greizer via „Arbeitskreis im Leben“ und die „Gesundheitsstiftung im Leben“. Die Klinik können wir in der Kürze der Zeit natürlich nicht besichtigen, aber wir werfen vom Eingang und dem „Platz der Erdung“ aus einen Blick in den hübschen Garten und seine Bereiche, den Raum der Lebensfreude, die Anhöhe der Orientierung, den Raum der Transformation, den Spiegel der Selbstreflexion und den Garten der Früchte. Streng wissenschaftlich mag hier zwar vieles nicht sein, aber ein Gefühl von Ruhe und Glück vermittelt es durchaus. Gaby, die im Berliner anthroposophischen Krankenhaus Havelhöhe arbeitet, ist sehr angetan.

Unsere Heimfahrt gen Südwesten entwickelt sich zu einem stundenlangen Sonnenuntergang, gerahmt von den schwarzen Büschen und Bäumen links und rechts der Autobahn, zartgelb, hellblau, rosa, pink und orange. Außergewöhnlich und wunderschön. Kurz vor 23 Uhr geben wir die Schlüssel unseres Mietwagens ab und fahren mit Bus und Bahn nach Hause. Katze Kalas begrüßt uns freudig, meine Freundin Maja hat sich während unserer Abwesenheit sehr gut um sie gekümmert.

Samstag, 4.8.2018: Greiz – Zu Besuch in der glücklichsten Stadt Deutschlands

Ich bin in der Ex-Jugendherberge Langenwetzendorf kurz vor halb sechs Uhr aufgewacht und habe die frische, kühle Thüringer Luft genossen. Der kettenrauchende und Rauchmelder-auslösende Gast vom Vortag sitzt schon draußen, wartend, rauchend, und wird schließlich von einem weißen Lieferwagen abgeholt. Ich schaue zu, Stille trotz Auto, Entspannung, Mann und Tochter schlafen noch tief und fest. Vielleicht ist er Saisonarbeiter oder Monteur? Eine Taube gurrt, eine Amsel hüpft über den Rasen und die Kätzchen genießen das Leben in diesem Kätzchenparadies.

Bevor wir nach dem Frühstück gen Greiz starten, müssen wir noch eines herausfinden: Was ist eine Bio-Landschule? Langenwetzendorf hat nämlich nicht nur die Ex-Jugendherberge und ein Freibad mit Riesenrutsche, sondern eben auch eine Bio-Landschule. Leider verrät keine Tafel am historistischen Schulgebäude, was es mit dem Namen auf sich hat, und so muss ich die „Ostthüringer Zeitung“ im Internet zu Rate ziehen:

Für ihr Engagement für die Umwelt wurden 59 Schulen in Thüringen durch Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) und Bildungsminister Helmut Holter (Linke) ausgezeichnet. Auch die Bio-Landschule in Langenwetzendorf hatte sich für die Schuljahre 2015 bis 2018 beim Wettbewerb um den Titel „Thüringer Nachhaltigkeitsschule – Umweltschule in Europa“ beteiligt. Mit Erfolg. Die Regelschule wurde seit 1999 ununterbrochen als Umweltschule ausgezeichnet, nun bekam sie zudem die Ehrung in der Kategorie „Gold“. Überzeugen konnten die Langenwetzendorfer nicht nur mit einem Projekt, sondern gleich mit mehreren, und durch die außerschulischen Kooperationen mit dem Bio-Seehotel, der Gemeinde sowie mit dem Imkerverein. So verweist (Lehrer) Tom Jungk nicht nur auf das Engagement von derzeit neun Schülern in seiner Öko-Gang, sondern auch auf die Pflege der Apfelhecke, ein Feuchtbiotop, in das eine Umweltpumpe eingebaut wurde, die Neugestaltung des Insektenhotels sowie auf Pflege- und Umgestaltungsarbeiten am Hochbeet der Schule.“

Donnerwetter! Trotz grün-schwarzer Landesregierung haben wir so etwas hier bei uns in Baden-Württemberg nicht. Da scheint das Thüringer Rot-rot-grün besser zu funktionieren. Ein Puzzlesteinchen auch zum Greizer Glück?

Aber nun fahren wir erst einmal nach Greiz-Rothental. Mein Mann Klaus hat hier nämlich vor ein paar Tagen „für‘n Appl und‘n Ei“ ein altes Fachwerkhaus mit Garten und Blick auf den hiesigen Fluss, die Weiße Elster, erworben. Hier werden wir wohnen, wenn wir in Rente gehen – aber vorher heißt es noch: vieeeel renovieren! In einem der Zimmer hängen Pflanzen zum Trocknen, wie gemacht für mich alte Kräuterfrau. Im Garten wachsen Salbei, Maiglöckchen, Pflaumen, Kirschen, Himbeeren. Das Klo ist noch ein Plumpsklo im Freien. Ich lasse mich darauf ein und übersehe einmal die auf uns zukommende Arbeit – dann ist es wunderbar romantisch hier! Klaus hatte natürlich alles vor Abschluss des Kaufvertrags besichtigt, aber für Tochter Lenja und mich ist es die erste Begegnung. Nicht nur wohnen wollen wir hier (vielleicht mit Klausens Bruder und meiner Schwester zusammen), sondern es soll auch ein „Bioglückshaus Greiz“ entstehen, mit Seminarräumen und öffentlicher Bibliothek.

Von der Straße „An der goldenen Aue“ (welch schöner Name!) werfen wir noch einen letzten Blick auf unser Wolkenkuckucksheim. Weil meine Hand immer noch stark lädiert ist seit meinem Unfall Anfang Mai, wollen wir das Wochenende nicht der Arbeit, sondern dem Erkunden der Greizer Schönheit und des Greizer Glücks widmen. Was also ist das Geheimnis der Greizer? Der vergoldete Spiegel und die Sonne, die an der Wand der Pizzeria „Da Papu“ hängen? Der Name erinnert mich an den Film „La Vita è bella“ des Komikers Roberto Benigni – der kleine Junge dort nennt seinen Vater „Papu“. Nun, nicht mehr als ein winziges Puzzleteilchen.

Neben der Pizzeria befinden sich der Biomarkt und die Peanuts-Biokneipe von Greiz. Sie haben beide nur von montags bis freitags geöffnet – wie überhaupt so einiges hier. Auch ein Grund für das Greizer Glück? Wahlspruch: „Eine Fünf-Tage-Woche ist auch für Selbständige mehr als genug.”?

Oder vielleicht hilft das Motto der Greizer im Prospekt der Tourist Information weiter: „Wir leben nur, um Schönheit zu entdecken. Alles andere ist eine Art des Wartens.“ (Khalil Gibran). Vielleicht passt dazu, dass der Autor dieser Zeilen eben nicht nur Autor, sondern auch Maler und Philosoph war, und dass er in zwei völlig unterschiedlichen Ländern lebte. Ein Weltenbürger.

Wir überqueren die Weiße Elster und gehen in das Untere Schloss. Greiz, die „Perle des Vogtlandes“, war früher einmal die Hauptstadt des aller-aller-allerkleinsten Fürstentums Deutschlands. Das hat ihm auf gerade einmal 21.000 Einwohner sage und schreibe drei prächtige Schlösser und einen mindestens ebenso prächtigen Schlossgarten verschafft. Plus auch heute noch etwas mehr Kultur, als ich von einer Kleinstadt erwarten würde. Verhilft Kleinteiligkeit zum Glück? Der Anarchist würde sagen: ja. Je größer und anonymer das Gemeinwesen, umso unglücklicher die Menschen. Herrschaftsfreiheit funktioniert am besten in überschaubaren Einheiten.

Im Unteren Schloss erkunden wir eine Textilschauwerkstatt. Im 19. Jahrhundert gab es in Greiz viele Spinnereien, Seidenwebereien und die höchste Millionärsdichte Deutschlands. Heute gibt es zum Beispiel noch die Firma www.blaudruck-greiz.de, und ich erstehe von ihr ein Lavendelsäckchen für meine Katze-hütende Freundin Maja in Stuttgart. Im Anschluss lockt die liebevoll gestaltete Sonderausstellung „Das Erbe der Buckelapotheker“ nebst einer Riesenmurmelbahn aus Holz. Ich erfahre, dass es ein Kräuternetzwerk Thüringen gibt (www.einfach-natuerlich.de) – und eine hohe Dichte an Kräuterfrauen und Heilpraktikerinnen direkt im Städtchen. Kräuterfrauen, die auch dichten und Bücher veröffentlichen, wie die Physiotherapeutin Cornelia Seidel. Und dass Kräuter glücklich machen – nun, das kann ich nur bestätigen.

Wir setzen uns in das zentrale Eiscafé Doimo am Puschkinplatz. Neben uns eine junge Familie mit zwei Kindern, die Mutter hochschwanger – und alle 4 ½ wirken glücklich und in sich ruhend. Im Anschluss hat Lenja uns zu einem 3D-Zeichentrickfilm überredet, das Kino ist um die Ecke. „Hotel Transsylvanien 3“ klingt nicht gerade nach „Kultur hoch 3“, aber Filmkunst gibt es nur alle ein bis zwei Wochen mittwochs, dafür dann aber auch vom Feinsten. Also Hotel Transsylvanien. Die Handlung ist erschreckend banal (warum um alles in der Welt haben Monster keine besseren Ideen für die Freizeitgestaltung als Kreuzfahrtschiffe, Pool, Glücksspiel und Disco?) – aber eine Tricks gefallen, einige Gags sind sogar lustig – und die Gesamtaussage: Menschen und Monster sind beide gleich gut und sollten in Frieden miteinander leben, die passt natürlich zu einer glücklichen Stadt wie Greiz.

Nach dem Kino gibt es noch die vielen, vielen Jugendstilhäuser in Greiz zu bewundern, von floral über symbolistisch bis Heimatkunst. Es sind so viele, dass Greiz Mitglied der internationalen, in Barcelona heimischen „Art Nouveau-Route“ ist, eine von 78 Städten auf der ganzen Welt, auf einer Ebene mit Antwerpen, Paris und Wien.

In der „Stadtmühle“ Greiz, im Herzen der Stadt neben dem Unteren Schloss und mit Blick auf den Fluss, genießen wir ausgezeichnete alkoholfreie Cocktails (ich sage nur: Spicy Ginger) und das bisher beste Essen unseres Mini-Urlaubs, Antipasti.

Ein kleiner Abendspaziergang führt uns noch durch die Anfangsgründe des Greizer Schlossparks bis hin zum Sommerpalais. Thüringen ist eh das artenreichste Bundesland, was die Flora anbelangt, und da lässt sich natürlich auch Greiz nicht lumpen, zwanzig verschiedene wilde Orchideenarten wachsen hier, und solch ausgefallene Pflanzen wie Arnika oder Großer Wiesenknopf. Aber auch mindestens ebenso seltene Tiere wie Kammmolch, Eisvogel, Wasseramsel, Uhu, Wildkatze, Kreuz- und Fischotter kann man hier mit etwas Glück beobachten. Für heute jedoch haben wir erst einmal an den Mücken genug und fahren zurück zu unseren „Drei Tannen“.

Freitag, 3.8.2018: Nacht-Rap und „Willkommen in Thüringen“

Um 3.24 Uhr wache ich auf und gehe auf den Balkon, um Sterne zu schauen. In Stuttgart ist das natürlich nur begrenzt möglich, zu viel Stadtlicht – selbst in der Nacht. Immerhin entdecke ich die Cassiopeia und darunter eine Chaiselongue, den Pegasus, wenn auch keine Sternschnuppen. Eine Fledermaus streicht so nahe an meinem Kopf vorbei, dass ich kurz erschrecke. Kalas rührt sich nicht.

Zurück im Bett komponiere ich einen Rapsong, wenn er auch nur aus zwei Zeilen besteht und eher Nonsense-Charakter hat:

<Mann steht vor dem Kaffeehaus gegenüber dem Olgahospital und singt:>

Ist unser Körper nur zum Kaffeetrinken da?“

<Computerstimme aus dem Off:>

Anpärrinn! Anpärrinn!“

<2x schnelles Händeklatschen. Da capo al fine, wobei diesmal das zweite Händeklatschen tiefer ist – durch hohle Hand.>

Meine Tochter Lenja ergänzt dann am Morgen eine zweite Stimme zum Anpärrinn:

<Mädchenstimme:>

Nein, isser nicht! Nein, isser nicht!“

Der neue Tag ist genauso heiß wie die vorhergehenden. Ich habe einen Arzt- und einen Ergotherapietermin, wir packen, und um drei Uhr nachmittags starten wir ab Hauptbahnhof mit einem klassisch-schwarzen Miet-Ford gen Nordosten, ins vierhundert Kilometer entfernte Thüringen. Mit der Bahn hätten  wir die Strecke um diese Uhrzeit (und mit der Hitzeproblematik) leider nicht mehr geschafft. Während unserer Abwesenheit wird meine Freundin Maja zusammen mit ihrer Freundin Heike unsere Katze einhüten. Gemeinsam wollen die beiden sich in Rosenbergs Gewaltfreier Kommunikation üben.

Unser Ziel in Thüringen: Greiz, die glücklichste Stadt Deutschlands, laut einer Untersuchung der Techniker Krankenkasse aus dem Jahre 2015. Prozentual betrachtet leben hier weniger Depressive als in allen anderen Städten unserer Republik!

Heute gelingt uns nur ein allererster Eindruck vom Auto aus: schön! Wir umrunden die Stadt und fahren weiter in die Waldherberge „Drei Tannen“ in Langenwetzendorf, mitten im Wald, oben auf dem Berg, ursprünglich ein Arbeiterwaldheim aus den Goldenen Zwanzigern analog zu denen bei uns in Stuttgart. Zwischendurch war es auch einmal eine Jugendherberge – und spottbillig ist es immer noch. Wir zahlen nur 20 € pro Nase und Nacht incl. reichhaltigem Frühstück!

Es ist recht still hier zwischen meinen drei Leibpflanzen: Kiefern, Birken und Rosen, ein Reh läuft über die Straße – und es gibt Unmengen von Kätzchen zwischen fünf Wochen und zwölf Jahren. Sie turnen überall herum, und fast alle lassen sich streicheln – Lenja strahlt. Die Herbergsmutter, Jacqueline Hendrich, ist ausgesprochen sympathisch, resolut, freundlich, aufgeschlossen, flexibel, eine Frau, die weiß, was sie will. Trotz der schon etwas vorgerückten Stunde können wir im Garten vor dem Haus essen, und sogar etwas Veganes wird für mich gebastelt – Salat mit gerösteten Sonnenblumenkernen und Bratkartoffeln. Mein Mann und ich haben ein Berliner Durchgangszimmer, Lenja bezieht die Kemenate im Anschluss ganz für sich allein – denn meine Schwester Gaby hat sich dermaßen erkältet, dass sie heute nicht aus Berlin zu uns stoßen konnte.

Ich bin gespannt auf die beiden Thüringer Tage, die vor uns liegen!